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Törnberichte Wie der Name schon sagt. Keine Antwortmöglichkeit!

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Alt 25.06.2010, 05:55
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Standard Segeln - Wattenmeer - Tagetörn nach Memmert



Ein Blick in den Tidenkalender sagte: ein perfekter Tag. Zwei Hochwasser bei Tageslicht, eines um kurz vor 5 Uhr Morgens, eines um 17 Uhr Nachmittags - ideal für einen schönen Tagestörn. Vorhergesagt war Nordwind, also plante ich mit ablaufend Wasser rauszugehen, zwischen Borkum und Juist rumzukreuzen und mit dem nächsten Nachmittagshochwasser wieder hereinzukommen.

Das hieß aber auch, früh aufstehen - das Los aller Tidenjunkies. So klingelte der Wecker um halb vier in der Nacht und um halb fünf saß ich ausgerüstet mit drei Brötchen, zwei Äpfeln, holländischen Honigwaffeln, drei Litern Trinkwasser und jeder Menge Sonnencreme auf dem Fahrrad und fuhr nach Greetsiel. Leider musste ich alleine raus, denn meine Frau musste nachmittags arbeiten.

Ich fuhr durch die Meeden und die Sonne schickte sich an, aufzugehen. Dämmerung, meine Lieblingszeit am Tage: die Vögel veranstalten ein vor Lebendigkeit strotzendes Riesenkonzert, kein Mensch ist unterwegs, Nebel wabert über den Kanälen, die Sonne ist noch nicht zu sehen, aber die ersten Strahlen kriechen über den Horizont.

Wind war noch keiner - oder nicht nennenswert. Aber alles deutete darauf hin, dass er kommen würde. Am Steg angekommen, blinzelte die Sonne gerade eben über den Horizont. Hochwasser war fast erreicht, die ersten Kutter kamen rein und zogen grüßend am Steg vorbei. Ich machte das Boot klar, holte die Leichtwindgenua und die 150er an Deck. Aber eine Möwe am Steg sagte, ich solle erstmal lieber die Fock anschlagen. Den Rest aber für später - so ab 10 etwa - bereithalten. Ich hab mir angewöhnt auf meine Frau und meine Möwen zu hören und so holte ich auch die Fock heraus, schlug aber noch keines der Vorsegel an. Gemeldet war eigentlich N um 3, also idealer Genuawind. Aber Frauen und Möwen sind meist präziser, als der Wetterdienst.

Auf dem Weg zur Schleuse kam mir fast die ganze Greetsieler Kutterflotte entgegen und die Hand herunternehmen lohnte fast gar nicht. Kurz vor der Schleuse überholte mich die Wappen von Norderney und hatte es sehr eilig. So musste ich vor der Schleuse sagenhafte 10 Minuten warten und da mir weitere Möwen zur Fock rieten, liess ich Medea vor der Schleuse treiben und schlug die Arbeitsfock an.

Kurz nach sechs war ich draußen. Das Wasser lief gerade ab. Die vorhergesagten Minus 40cm Wasser stimmten, denn bereits jetzt waren etliche Wattbuckel zu sehen. In der Greetsieler Leegde hatte ich den Wind genau auf dem Kopf und so tuckerte mich der AB die knappe Meile bis zur Bantsbalje in einem Rekordtempo. Kein Wunder, denn ich hatte den Strom im Kreuz. Auf dem Watt lag ein holländischer Plattboden vor Anker, der hatte da allem Anschein nach wild romantisch die Nacht verbracht. Direkt im Fahrwasser und offensichtlich ohne Ankerlicht - die Fischer werden begeistert gewesen sein.

In der Bantsbalje setzte ich Groß und Fock und ging an der Südkante des Kopersand hoch ran. Medea lief gut, der Handwindmesser sagte viereinhalb, in kleinen Böen manchmal auch mehr, das GPS zeigte fast sieben Knoten, wovon allerdings mindestens zwei auf den Strom entfielen. Die Sonne schien und alles war gut.

Die Osterems war so schnell erreicht. Hier wurde es wie bei Wind gegen Strom üblich etwas kabbelig. Ich folgte nicht dem Fahrwasser nach Norden, sondern hielt geradewegs weiter auf Lütjehörn zu. Das ergab zusammen mit der Bantsbalje einen schönen langen, ersten Kreuzschlag von etwas mehr als fünf Meilen. Ein nettes Telefonat mit Rolf rief mir währenddessen ins Bewusstsein, dass es erst acht Uhr Morgens war. Gefühlt hätte ich gesagt, es wäre später Vormittag. Die folgenden Schläge waren mit jeweils ca. drei Meilen etwas kürzer. Medea ging auf Kreuzkurs zwischen Lütjehörn und dem Kopersand hin und her. Nach dem vierten Schlag konnte ich WNW so anlegen, dass ich an den Borkumer Sänden nördlich vorbeikam. Raus ging es dann bis dicht an den Borkumer Nordstrand heran.

Ich überlegte kurz, ob ich das jetzt nur noch drei Meilen entfernt liegende Wrack der Madame Pele an der Brauersplate ansteuern sollte. Aber die Tide war kurz vorm kentern und die Kachelotplate und Memmert sind viel schöner, als der traurige Ort des Untergangs. Daher drehte ich nach NW ab und ging bis auf eine Kabellänge an das Südufer der Kachelotplate heran. Dicht unter Land ging es nun in Lee der Sände nach Osten. Obwohl die (leider verbotenen) Inseln zum greifen nah waren, hatte ich immer noch plusminus 10 Meter unterm Kiel.

Inzwischen hatte der Wind deutlich nachgelassen. So sehr, dass ich die Arbeitsfock gleich gegen die Leichtwindgenua austauschte. Medea lief unter Groß und LW-Genua aber immer noch gut gegen die letzten 30 Minuten Ebbstrom. Im kurzen Zeitraum des Stillwassers konnte ich die tatsächliche Geschwindigkeit mit ca. dreieinhalb Knoten messen. Bei zu dem Zeipunkt gemessenen 2 Beaufort ein annehmbarer Wert. Irgendwann kenterte die Tide und der Flutstrom packte wieder 1-2 Knoten drauf. Nach sechs Meilen erreichte ich die "Bucht" Nordland- Ecke Memmert-Fahrwasser und beschloss, es sei Zeit, den jetzt voll einsetzenden Flutstrom für die Rückkehr zu nutzen. Wie immer mit dem einsetzenden Flutstrom frischte auch der Wind auf und die LW-Genua wurde durch die 150er, die aus deutlich schwererem Tuch besteht, ersetzt.

Der nordöstliche Zipfel des Kopersand zwang mich dazu, erst einmal wieder Richtung Westen zu gehen. Nach zwei Meilen fand ich eine Rinne südwärts mit genug Wasser und es ging auf direkten Vorwindkurs als Schmetterling nach Süden. Medea läuft vorm Wind als Schmetterling immer etwas zickig - so auch dieses Mal. Auf Ausbaumer und Bullenstander hatte ich aber keine Lust, zumal dieser Kurs auch nur zwei bis drei Meilen so bleiben würde. Also war verschärftes Rudergehen angesagt. Und genau bei diesem Eiertanz erreichte mich ein Anruf von Jost. Daher war ich leider etwas kurz und knapp angebunden - meine ganze Aufmerksamkeit ging vollständig für Pinne uns Segel drauf.

Beim eindrehen zurück in die Balje zog Medea noch mal richtig los und die Meilen flogen dahin. An der Einmündung zur Greetsieler Leegde segelte ich zunächst vorbei, ging nördlich weiter und barg hart am Wind das Groß. Nur unter Genua ging es dann weiter in die Leegde und auf der Höhe des Meßdalbens ging ich auf Kurs ENE. Auf der 1m Linie ging ich in den Wind und liess zunächst das Vorsegel und dann den Anker fallen. Und schon wieder ging das Telefon. Thomas kam mit einer für mich freudigen Nachricht durch und ich Idiot habe mit meiner euphorischen Schilderung des schönen Segeltages Salz auf wunde Haut gestreut. Ich sollte meinen Kopf in die Pütz stecken und kräftig dagegen schlagen. Aber so ist das: Ist das Herz voll, quillt der Mund über.

Jetzt war aber erstmal Tee machen und einen Happen essen dran. Vor Anker konnte ich dabei zusehen, wie sich manche mit mehr Tiefgang im Watt doch quälen müssen, Nickerchen machen, wieder loskommen, Kreise fahren, Anlauf nehmen, um dann wieder Nickerchen zu machen. Ich hab nach Tee, Brötchen und Honigwaffeln dann auch ein Nickerchen gemacht - allerdings ein richtiges.

Frisch gestärkt und erholt wurde das Boot für die Schleuse fertig gemacht und es ging rein. Und wer kam mit mir rein? Die Wappen von Norderney mit einer satten Fuhre Touris an Deck. Die haben auf Juist offensichtlich fette Beute an Passagieren gemacht. Kurze Absprache über Funk, wer vor wem rein- und wo rangeht und dann liefen wir beide in die Schleuse.

Währenddessen gab es die ganze Zeit Blitzlichtgewitter - sowohl vor der Schleuse, in der Schleuse und - da die Gretchen auf der anderen Seite mit einer weiteren Fuhre Touris auf ihre Ausschleusung wartetet - hinter der Schleuse auch noch von beiden Seiten. Haben die noch nie ein kleines, altes Segelboot gesehen? Offenbar nicht. Okay, dann sollten sie auch was haben für ihre Kurtaxe. Direkt hinter der Schleuse also Maschine wieder aus und die babyblaue, schön große Leichtwindgenua hoch. Und prompt gab es - richtig - Blitzlichtgewitter...

Die Tourifrachter waren natürlich deutlich schneller und damit auch schnell wieder außer Sicht. So kehrte auf einem schönen Vorwindkurs wieder Ruhe ein. Unterwegs gab es dann noch eine kleine Regatta mit Greetsieler Nachwuchspiraten. Kurz vorm Steg fiel die Genua und der Jockel musste noch mal für zwei bis drei Minuten ran. Der Wind kam immer noch aus NW und damit perfekt für meinen Liegeplatz.

Kaum hatte ich fest und mit dem Aufklaren begonnen, kamen auch noch Thomas und Tim zu einem netten Plausch vorbei. Damit ging ein schöner Segeltag mit insgesamt 52 Meilen - davon 5 mit Jockelunterstützung - zu Ende. Das macht abzüglich der Ankerpausen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 5 Knoten. Gar nicht mal schlecht für ein 45 Jahre altes Boot.


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Viele Grüsse,
Olaf
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