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Törnberichte Wie der Name schon sagt. Keine Antwortmöglichkeit!

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Alt 27.06.2008, 01:16
Roadrunner505 Roadrunner505 ist offline
Deckschrubber
 
Registriert seit: 11.04.2008
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76 Danke in 4 Beiträgen
Standard Sturm auf der Biskaya

Hallo,

ich wollte mal einen kleinen Ausschnitt aus unserem Törn posten, den wir letztes Jahr mit 4 Mann auf einer Comfortina 38 gefahren sind. Die Route ging von Breskens in Holland durch den Kanal und die Biskaya nach Vigo und wieder zurück. Zeitraum waren knapp drei Wochen.


Die angenehmen Seiten und Momente solche eines Törns kann man sich sicher vorstellen:

Man kann im Hafen liegen und sich sonnen...



Oder einfach nur in den Sonnenuntergang segeln





Begleitet von Delfinen...






oder Walen





Aber so romantisch es auch alles sein mag, es kann auch so kommen, wie es uns Montag Nacht erwischt hat. Wer sich einfach mal in die Gefühle dieses Momentes denken möchte, kann sich ja mal folgendes durchlesen:



„Südwest, 5, auffrischend auf 8 – na ja“ sagte der Skipper und schob seine Unterlippe vor.



Als wir ablegten, war totale Flaute. Die Sonne schien und wir saßen gemütlich im Schiff.

Nach einigen Stunden wollten wir das Großsegel zur Unterstützung des Motors hochziehen.

Ich ging wie immer an den Mast, um das reibungslose Hissen von vorne zu sichern.

Als das Segel fast oben war bemerkte ich, dass das Großfall verklemmt war.

„Nochmal runter damit!“ rief ich. Leider blieb das Segel auf halber Strecke im Mast stecken und ließ sich nicht mehr bewegen. „Da klemmt doch irgendwas“, sagte ich „Ich geh da mal eben rauf.“ Mit dem Bootsmannstuhl war es ein leichtes, den alten, abgebrochnen Rutscher des alten Segels zu beseitigen, der sich im Mast verkeilt hatte.





Wer hätte gedacht, dass uns das einmal sehr helfen würde….

Als ich wieder unten war ging das Segel reibungslos hoch. Die weitere Schicht verlief ohne Probleme. Um Mitternacht kam eine leichte Briese auf, so dass ich das Schiff unter Segeln an die Nachtwache übergeben konnte.



Als ich um 4.00 Uhr zur Frühschicht aufwachte, war das Schiff schon sehr unruhig. Ich zog mich an und ging an Deck. Was ich sah, gefiel mir keineswegs. Wir fuhren mit fast 8 Knoten, Wind und Welle von achtern. Ich sah mich um. Am Horizont konnte man die letzten Lichter des Festlandes erkennen, voraus ein paar Lichter einiger Frachter. Was sie beleuchteten war ein tief schwarzer Himmel.

„Das gefällt mir gar nicht“, sagte ich. „Warum ist denn das Großsegel noch nicht gerefft?“

Der Skipper sah mich nachdenklich an. „Ist schon zu viel Wind – das ist zu gefährlich da vorne an Deck“. Um das Segel reffen zu können hätten wir einen Kurs entgegen Wind und Wellen nehmen müssen. Da wir inzwischen fast 7 Windstärken, meterhohe Wellen und tief schwarze Nacht hatten, wäre es ein sehr hohes Risiko gewesen, jemanden aufs Vordeck zu schicken. Auf diesem Kurs spürte man den Wind jedoch durch die hohe Eigengeschwindigkeit nicht.

„Na ja, versuchen wir´s“, sagte ich.

Mein größter Alptraum war Wirklichkeit geworden. Wir waren in einem Sturm es war zu spät das Segel zu bergen.

Die Wellen von hinten waren extrem. Jede einzelne zerrte am Heck des Schiffes und versetzte es in eine Drehbewegung, wie ein ausbrechendes Heck eines Autos. Da wir nur noch das riesige Großsegel gesetzt hatten, verstärkte dieses die Drehbewegung noch zusätzlich. Ich hatte alle Hände voll zu tun, das Schiff auf Kurs zu halten.

Keine fünf Minuten später war es passiert. Eine enorme Welle hob das Heck an und drückte es ohne Gnade zur Seite. Ich stemmte mich gegen das Ruder, doch es war zu spät. Das Schiff drehte immer mehr in den Wind. Der Wind fing sofort an, über das Deck zu peitschen.

„Aaaaarg, geh doch wieder auf Deinen Kurs Du Scheißkahn“, schrie ich. Das Schiff lag nun quer zu den Wellen, das Segel drückte es in die eine Richtung, das Ruder war voll eingeschlagen und stand in die andere Richtung.

Mit der Hilfe einer Welle bekam ich die Drehung wieder hin und wir fuhren wieder vor Wind.

„Soweit, so gut“, dachte ich. „Mal sehen, wie das weitergeht“.

Als Orientierung hatte ich nur den Windanzeiger, die Wellenrichtung und den Kompass.

Es dauerte nicht lange, da war es wieder soweit. Das Schiff schlug wieder quer. Als ich es wieder auf Kurs gebracht hatte, war ich irritiert. Der Windanzeiger zeigte an, dass der Wind von der Seite kam, die Wellen kamen aber von hinten. Ich drehte das Schiff leicht.

„Verdammt, der scheiß Windanzeiger klemmt doch“, rief ich zu meinem Freund Björn. Ich verlor die Orientierung. Die Kompassrose schien sich immer schneller zu drehen.

Plötzlich tat es einen Schlag. Der Wind war von der Gegenseite in das Segel geschlagen.

Der Großbaum war zwar auf der Backbordseite mit einem sogenannten „Bullenstander“ festgebunden, damit er in so einer Situation nicht über das Schiff schlagen konnte – es würde einem den Kopf abtrennen oder das Segel könnte reißen -, jetzt aber stand das Segel durch die Fixierung wie eine Wand zum Wind. Das Boot drehte sich unkontrolliert und warf sich auf die Seite. Unerbittlich drückte das Segel den Rumpf auf das Wasser. Wir hatten keine Fahrt mehr, das Schiff lag mit schwerer Schlagseite auf dem Wasser und wir klammerten uns an die Bordwand. Der Wind peitschte unaufhörlich über uns und heulte in den grässlichsten Tönen.

„Das Großsegel muss rüber!!!“, keuchte ich. „Warte, ich hab hier die Leine“, hörte ich Björn sagen. Glücklicherweise hatten wir den Bullenstander nach hinten geführt. Björn löste den Knoten und das Segel rutschte langsam auf die Lee-Seite. Das Schiff richtete sich wieder auf.

„Jetzt bloß den Baum nicht noch mal rüberschlagen lassen, dann ham wir hier ein Problem“, dachte ich. Ich wählte einen Kurs, in dem der Wind von der Seite kam.

Inzwischen war der Skipper im Aufgang erschienen. „Wann bekommen wir endlich dieses verdammte Segel runter – das ist die Hölle hier“, schrie ich durch den Wind.

„Sobald es hell wird – fahrt solange einfach einen stabilen Kurs, egal wohin“, bekam ich als Antwort. Die Stunden bis Sonnenaufgang waren unmenschlich. Das Schiff schoss schlingernd durch die von der Seite kommenden Wellen. Der Wind fegte kreischend über Deck. Wellen brachen sich am Bug und ergossen sich wie ein Wasserfall über uns. Dazu kam nun auch noch Regen. „Auch das noch“, sagte ich. „Wir kommen langsam in die Verkehrszone – ich seh schon die ersten Lichter von Frachtern! Halt Du steuerbord Ausschau, ich seh an Backbord nach. Ich spürte, wie das Wasser innen an meinen Beinen in meine Schuhe lief. Dort stand es bereits bis über die Zehen. „Warum hat uns der Skipper unter vollen Segeln in diesen Sturm geführt“, dachte ich wieder und wieder bei mir. „Warum nur…“.

Nach endlosen Minuten wurde es langsam dämmerich.

„Hol den Skipper an Deck. Das Segel muß jetzt runter!“, rief ich Björn zu.

Der Skipper stand im Niedergang und bediente die Fallen. Björn hatte sich an den Mast gerobbt und ich drehte das Schiff langsam in den Wind. Der Bug schoss wie ein Pfeil aus den Wellen, um sich gleich dahinter im freien Fall in das Wellental zu stürzen.

„Los jetzt!“, schrie ich gegen den Wind. Das Fall wurde gelöst und das Segel kam sofort herunter. Stark verkleinert fixierten wir es und ich ging wieder auf Kurs.

„Zur Hölle, wenn der alte Rutscher sich jetzt verhakt hätte, dachte ich.“

„Und warum habt ihr das Segel nicht rechtzeitig runter genommen, habt ihr das nicht gemerkt?“, fragte ich? Der Skipper schaute betroffen:“Woran?“

Es war wie mit einem Frosch im heißen Wasser. Setzt man ihn direkt hinein, so springt er wieder hinaus. Erhitzt man das Wasser nur langsam, bleibt er darin, bis er verbrennt. Die beiden hatten durch die parallel zunehmende Geschwindigkeit nicht gemerkt, dass der Wind immer stärker wurde. Bis es zu spät war. Ich sah zum Windanzeiger hoch. Dieser war mittlerweile abgebrochen.



Mit dieser Nacht war der Trip leider nicht vorüber.




Es lagen immer noch 350 Meilen, um die 500km endloses Meer vor uns. Noch zwei lange Nächte sollten folgen, in denen wir mit dem schlingernden Schiff durch tief schwarze Nacht rauschten.



Nachts war es wie ein Blindflug durch tosende See. Nur manchmal blitzte ein Stern durch den schwarzen Nachthimmel, an dem man kurzzeitig ohne den Kompass orientierung erlangen konnte. An schlafen oder essen war kaum zu denken.




Wenn wir uns zum Schichtwechsel begegneten, warfen wir uns nur noch trübe Blicke zu. Gesprochen wurde kaum noch. Der starke Wind und die nicht endend wollende Strecke machte einen fast wahnsinnig.





Am vierten Tag erreichten wir endlich den Hafen von Camaret-sur-Mer.





„Die See ist erbarmungslos. Du kannst sie nicht besiegen und von ihr besiegt zu werden kann tödlich sein.

So bleibt es Dir nur zu kämpfen. Stunde für Stunde“



Dies sollte unsere letzte Reise gewesen sein. Der Sturm dieser Nacht hat meinem Vater gezeigt, daß man mit 66 Jahren kürzer treten sollte.
So geht auch nach 12.000 Seemeilen in 10 Jahren nach dieser Fahrt eine Ära für mich zu Ende. Wir werden das Schiff dieses Jahr verkaufen.
Aber Oslo, Vigo, Helsinki, Cork und Loch Ness - die Zeit und die Erlebnisse kann uns keiner mehr nehmen.


Grüße, Mathias
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