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Törnberichte Wie der Name schon sagt. Keine Antwortmöglichkeit! |
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Segeln ist schön-unsere Anfänge auf dem Wasser
Segeln ist schön
unsere ersten Schritte auf dem Wasser von Lydia Homann Unsere Anfänge auf dem Wasser Heute, nach einem Seglerleben von über dreißig Jahren, glaube ich, dass Segeln eine gefährliche In*fektionskrankheit ist, die uns höchst heimtückisch überfällt, vor der man sich nicht einmal durch Impfen schützen kann und von der es keine Heilung gibt, besonders, wenn man ihre ersten Anzeichen nicht sofort bemerkt und deshalb nicht rechtzeitig gegensteuert. Sie befällt zwar hauptsächlich Männer, sodass ich vermute, dass sie genetisch bedingt ist. Die wenigen infizierten Frauen sind wohl eher eine Ausnahme. Ursprünglich dachte ich ja an einen Bazillus, der uns in seinem Würgegriff hält. Alex, meine Schwiegertochter berichtigte mich aber insofern, dass eine Bakterieninfektion durch Gegenmittel heute in den meisten Fällen heilbar ist, es aber gegen eine Viruserkrankung bisher keine Heilungs*chancen gebe. Ich werde also in Zukunft in meinen Gedanken ihn nur noch den Segelvirus nennen. Vor langer, langer Zeit, ich glaube, es muss 1969 oder 1970 gewesen sein, begann alles so ganz harmlos. Wir waren von Geschäftsfreunden zur Abschiedsfahrt der „Oskar Huber“ eingeladen worden. Das Ungetüm, ein uraltes Riverboat mit riesigem Schaufelrad, sollte nach vielen Jahren treuer Dienste ausgemustert, das heißt, verschrottet werden. Zum Abschied veranstaltete die „Oskar Huber“ eine Riverboatshuffle auf dem Rhein bei Düsseldorf. An diesem herrlichen Sommersonntag waren viele junge dynamische Leute an Bord geladen, Boatspeople meist und dazu Jazzfans. Eine Steal band und eine Dixiland Jazzband sorgten für Stimmung und gute Laune. Zu dieser Zeit war ich noch eine richtige Landratte, dass heißt, ich war noch nie im Leben an Bord eines Schiffes gewesen. Also wanderte ich begeistert an Deck umher, höchst interessiert an allem und jedem, wie üblich einen Longdrink in der Hand. Die Musik war ganz nach meinem Herzen, ich erfreute mich an dem herrlichen Wetter und fühlte mich schon fast wie ein Mitglied der High Society. Besonders glücklich war ich, als ich einen der wenigen Liegestühle an Deck ergattern konnte. Nun konnte ich bequem in der Sonne liegend die vorbei ziehende Landschaft bewundern und zugleich der Musik und den Gesprächen der Umstehenden lauschen. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich nun unsere Freunde und Gastgeber, die sich mit einem kleinen dicken Mann in für mich völlig unverständlichen Worten unterhielten. Ich war mir sicher, sie führten ein Insidergespräch. Ich musste mir große Mühe geben, um ihren Worten folgen zu können. Was sollte zum Beispiel die höchst eigenartige Frage: „Wo liegen Sie denn?“, und die darauf ohne Zögern folgende Ant*wort: „In Roermond!“ Das Gespräch begann mich zu interessieren, vor allem, weil ich die Gruppe doch leibhaftig neben meinem Liegestuhl stehen und keinen davon liegen sah. Neugierig, wie ich nun einmal bin, wollte ich mich wie beiläufig der Gruppe zugesellen. Vorsichtig nahm ich meine Füße von der Reling, verlor dabei aber leider durch eigene Ungeschicklichkeit einen meiner Schuhe an den rasch vorbei rauschenden Rhein. Dabei lernte ich Landratte sofort eine Eigenheit von fließenden Gewässern kennen: Sie geben das, was sie einmal haben, nie wieder her. Entgeistert starrte ich auf den gerade meinen Schuh verschlingenden Wasserstrudel. „Was soll ich mit nur einem Schuh?“ Wie in einem Reflex schleuderte ich das zweite Exemplar hinterher, ich bin nun mal spontan. Als Entschuldigung muss ich leider eingestehen, dass ich zu diesem Zeitpunkt auch schon nicht mehr so ganz nüchtern war. Zu meinem Pech war ich vom umstehenden Volk in Flagranti ertappt worden, Alles lachte über mich. Völlig schuldlos, war ich als Femme fatale mal wieder unliebsam aufgefallen. „Schmeißt du immer deine Schuhe ins Wasser?“, war natürlich eine mehr als ver*nünftige Frage, denn die Leute konnten von meiner logischen Überlegung: „Was soll ich mit nur einem Schuh?“, ja nichts wissen. Barfuss gesellte ich mich nun dem Kreis meiner Freunde zu. Dabei merkte ich rasch, dass sich ihr Gespräch um Boote, besser gesagt, um Segelboote drehen musste. Der dicke Fremde entpuppte sich als Regattasegler und Inhaber eines hiesigen Sportgeschäftes. Zufällig erfuhr ich aus dem Gespräch, dass unser Freund neuerdings ein Boot hatte. Er er*zählte ganz stolz, dass er auf einer Auktion als Supersonderangebot einen großen Motorsegler ersteigert hatte. Er musste krank sein. Man stelle sich vor, kurz vor der anstehenden Hochzeit in solch eine Anschaffung zu inve*stieren! Er musste sicher von diesem geheimnisvollen Segelvirus befallen worden sein. Durch höchst interessierte, aber unqualifizierte Fragen schaffte ich es tatsächlich, dass wir zu einem der kom*menden Wochenenden an Bord ihres neuen Bootes eingeladen wurden, wir, dass heißt, unsere ganze Familie. Die Beiden hatten bisher noch nicht das Glück gehabt, die übrigen Familienmitglie*der kennen zu lernen, ahnungslos weiteten sie Ihre Einladung deshalb auch auf un*sere lieben Kinderchen aus. Natürlich fieberten wir alle diesem großen Ereignis entgegen. Sabine, unsere Älteste fühlte sich mit ihren zwölf Jahren schon ganz als junge Dame mit ihrem bauchfreien T Shirt und sexy Hot Pants. Sie fühlte sich in ihrem Outfit in Gegenwart der üb*rigen jungen Leute an Bord sichtlich wohl. Unsere beiden Söhne Thomas und Stephan gaben sich überraschenderweise anfangs ganz lieb und ruhig. Die Situation an Bord eines Schiffes war für sie noch genau so neu wie für ihre Eltern. Begeistert hingen wir zuerst alle an der Reling, um uns anzuschauen, wie unsere lieben Kleinen die Schwanenfamilie mit Brotresten fütterten. Mit der Zeit gingen die Schwäne immer mehr aus sich heraus, die Sorge um ihre Küken vergessend, torkelten sie herum, jagten und bissen sich gegenseitig. Unser Pudel Nicky bellte dazu in allen Tonlagen, er wollte auch Brot. Das Chaos war bald perfekt. Mehr durch Zufall bemerkte ich das rasche Schwinden der Alkoholvorräte. Sollten sie etwa...? „Seid ihr wahnsinnig? Ihr könnt doch nicht einfach die Brotstückchen mit Cognac oder Whisky trän*ken, und dann damit die Schwäne füttern!“ Ich versuchte, wenn auch mit geringem Erfolg, die Herren Söhne abzulenken, bevor die Gastgeber etwas bemerkten. Durch der Hausfrau Schreie:„Nicht alles ins Wasser werfen!“, wurde ich kurz darauf wieder auf meine Sprösslinge aufmerksam, wie sie jubelnd eine Wäscheklammer nach der anderen ins Wasser warfen, laut „Kamelle!“ schrien und sich freuen, sie im quirlenden Wasser davon schwimmen zu sehen. Als keine Klammern mehr zu finden waren, streute Stephan, damals gerade fünf Jahre alt, die Zigarettenkippen aus einem schweren Messingaschenbecher gleich hin*terher, und freute sich, dass die Kippen so lustig an der Oberfläche tanzten. Reaktionsschnell, wie ich nun einmal bin, konnte ich gerade noch verhindern, dass gleich der Ascher hinterher flog. Sie waren ja noch so jung, die Kinderchen, man konnte sie doch nicht für alle Schäden, die sie an Bord eines Schiffes anrichteten, zur Verantwortung ziehen. Kurzum, die Beiden entwickelten sich innerhalb kürzester Zeit zum Schrecken der Bootspeople und besonders unserer Gastgeber. An Bord ihres Schiffeshatte ich nun keine ruhige Minute mehr, ich fiel nur von einer Aufregung in die andere. Es war uns klar, so konnte es nicht weitergehen. „Wenn wir nicht auf diese wunderbare High Life Atmosphäre an Bord einer Yacht verzichten wollen, dann muss sich unbedingt etwas ändern!“ „Du hast recht. Wir können unsere Gastgeber, die uns wahrscheinlich nur zähneknirschend dulden, nicht weiterhin so strapazieren“, stellte mein Angetrauter fest. „Es muss eine Änderung herbei geführt werden.“ So beschlossen wir, uns auch ein Boot anzuschaffen, „Unsere Freunde werden sicher erleichtert sein, wenn wir sie mit einem eigenen Schiff überraschen!“ Wir merkten zu unserem Schrecken, dass wir dem Bootsvirus und seinem Würgegriff schon hilflos ausgeliefert waren. Fleißig studierten wir stundenlang die Anzeigen in der Yachtzeitung und bekamen einen richtigen Schock, als wir die hohen Preise sahen, die auf uns zukommen würden. Nach reiflicher Überlegung und schöner demokratischer Übereinstim*mung entschieden wir uns dann für ein Schlauchboot, um damit erst einmal unsere Seefestigkeit und Bootstauglich*keit testen zu können. 1971 Unser Wiking Schlauchboot Schon zwei Wochen später lag also unsere Neuanschaffung, ein „Wiking“ Schlauchboot, aufgepumpt vor unserer Garage. Es kam uns riesig vor. Sogar einen eindrucksvollen fünf PS Außenborder hatten wir noch angeschafft. Wir wollten doch mithalten können und nicht hinterher paddeln. Stolz avancierte der Vater von nun an zum Kapitän, der die Mutter und die übrige Mannschaft sofort wie ein richtiger Seemann in ihre Aufgaben einwies. Am darauf folgenden Wochenende kam für uns dann der große Moment. Ganz früh schon starteten wir in Richtung Holland. Wir wollten ganz groß die ob*ligate Schiffstaufe arrangieren. Die Söhne Thomas und Stephan wurden zu diesem festlichen Ereignis von mir in blauweiße Ringelpullover mit dem goldenen Aufdruck „Happy Sailing“ gesteckt. Dazu bekamen sie Prinz Heinrich Mützen mit schwarzen Lackschirmchen. Ich war hellauf begeistert von meinen Söhnen, richtig maritim sahen die Beiden aus. Wir Frauen hatten in der Stadt schicke Shirts in blau – weiß mit Matrosenkragen erstanden. Denn ein zünftiger Wassersportler, der etwas auf sich hält, trägt selbstverständlich auch ein mariti*mes Outfit. Unser Pudel Nicky wurde noch mit einem schiffigen kleinen Halstuch, das lauter lustige blaue Anker auf ro*tem Grund hatte, verschönt. Leider weigerte der Vater sich trotz meiner intensiven Bemü*hungen strikt, auch eine diesem festlichen Anlass entsprechende Bekleidung zu tragen. Sekt für die Schiffstaufe und ausreichend Lebensmittel und Getränke für ein zünftiges Grillfest verstauten wir in speziell für den festlichen Anlass gekauften Kühltaschen. Dann starteten wir erwartungsvoll nach Roermond. An einem der vielen Baggerseen mit günstig gelegenem Parkplatz wurde unsere Neuanschaffung aufgebla*sen, zum Ufer getragen, ins Wasser gesetzt und dann vorsichtig mit unseren drei Kindern, dem Pu*del Nicky, unseren Lebensmitteltaschen und meiner Wenigkeit beladen. Entsetzt mussten wir dann feststellen, dass unser schönes, uns in der Theorie so groß erschienenes Boot tief in die Fluten der Maas eintauchte. Für eine fünfköpfige Familie mit Hund und Gepäck war es viel zu klein. Vorsorglich wurde unser Hund erst einmal ganz kurz festgezurrt, damit er uns nicht sofort in seiner Verzweiflung ins Wasser sprang. Vorsichtig kletterte einer nach dem anderen nach, ängstlich bestrebt, das Gleichgewicht nicht zu gefährden. Wir enthielten wir uns jeglicher Körperbewegung, um das Boot nicht zum Kentern zu bringen. Sicherheitshalber hielten alle sogar die Luft an. Die Situation wurde noch prekärer, als Rainer, unser frisch gebackener Kapitän, das bis zum Rand volle Schiffchen nun ganz, ganz vorsichtig etwas weiter ins Wasser schob, um zu guter Letzt auch noch einsteigen zu können. Ganz überrascht stellte er dann aber fest, dass das Boot nicht sank, obwohl es schon mit der oberen Kante die Wasserlinie berührte. „Hurra! Wir passen alle hinein!“ „Aber wie in eine Sardinendose!“, moserte die wie immer unzufriedene Jugend. Ganz vorsichtig wollte der Kapitän die Maschine starten und stellte nun ärgerlich fest, dass der funkel*nagelneue Motor zuerst nicht anspringen wollte. Immer wieder riss er am Starterseil. Wir duckten erschreckt die Köpfe, um nicht von seinen wilden Armbewegungen ins Wasser katapultiert zu werden. In dieser gebückten Haltung verharrten wir wie erstarrt, selbst der Hund gab keinen Laut von sich, er senkte nur ängstlich ganz tief seinen Kopf und klemmte den Schwanz zwischen die Beine. Aber alles klappte prima, obwohl sich der Kapitän als Erster einen nassen Hintern holte. „Bloß nicht bewegen“, kommandierte er, „sonst kippen wir um!“ Ganz langsam setzte sich unser Wasserfahrzeug in Bewegung. Vorsichtig übte der Kapitän erst einige Runden, bevor er das Schiffchen aus der relativ sicheren Ruhe des Baggersees auf die wilden Fluten der Maas steuerte. In einem der größeren Seen wollten wir dann nach unseren Freunden su*chen, die sich bestimmt dort vor uns versteckt hielten, ich wollte sagen, die sicher schon sehnsüchtig auf uns warteten. Wir wurden nervös, als sich gerade jetzt die große Maasschleuse öffnete, und ein Lastkahn nach dem anderen sich ge*fährlich nah an unserem wackligen Bötchen vorbei schob. Von unseren niedrigen Sitzplätzen aus wirkten die riesigen schwarzen Aufbauten der Kiesfrachter furchtbar bedrohlich auf uns. Mit vor Angst schweißnassen Händen versuchten wir uns krampfhaft fest zu halten. Die Bug – und Heckwellen rollten erschreckend auf uns zu, hoben und senkten uns in unserem Bötchen, jedes Mal von unseren Schreckensschreien begleitet. „Fest halten!“, schrie der Kapitän ein ums andere Mal seiner vollkommen starrten Mannschaft zu. Und immer antworteten wir Frauen mit hohen spitzen Schreien. Dann wusste er, dass wir ihn verstanden hatten. Aber der Skipper konnte auch mit dem wildesten Gestikulieren keinen der Schlepper und auch keinen der Speedbootfahrer dazu bewegen, die Fahrt etwas zurück zu nehmen. Jedes Mal wurden wir von oben bis unten von den gischtenden Wellen durchnässt. Endlich erblicken wir den Motorsegler unserer Freunde, die nichtsahnend fern am Ufer der Kaffeebucht festgemacht hatten. Nachdem wir schon den sicheren Tod vor Augen gehabt hatten, kletterten wir schlotternd über die Badeleiter hinauf. In der Sicherheit und Wärme des großen Schiffes fühlten wir uns dem Leben wiedergegeben. Wir troffen vor Nässe, schüttelten uns trotz des warmen Sonnenscheins vor Kälte, und schworen uns und aller Welt, dass nach diesem schrecklichen Erlebnis mit dem Wassersport Schluss sei. Natürlich nahmen wir das Angebot unserer Freunde, uns trocken zu legen, dankbar an, hatten wir Greenhorns doch vergessen, trockene Kleidung zum Wechseln mitzunehmen. An diesem Nachmittag bewährte sich die Demokratie in un*serer Familie aufs Neue. Wir beschlossen einstimmig, dass das Kapitel Boot hiermit ein für alle Mal beendet sei. Auf gut deutsch: Wir hatten alle die Nase gestrichen voll. Wie immer erwiesen wir uns auch jetzt als Meister der schnellen Entschlüsse. Am darauf folgenden Wochen*ende schon wurde in der Samstagsausgabe der Rheinischen Post ein Schlauchboot Typ Wiking incl. Außenborder, besser als neu Trotzdem all dieser Anfangsschwierigkeiten war dies der Beginn unserer großen Segelkarriere. Denn der Bootsvirus ließ uns nicht mehr aus seinen Klauen. Auch zeigten sich in dieser Situation zum ersten Mal die Willensstärke und der Unternehmungsgeist von uns Frauen. „Klasings Bootsmarkt“ und zusätzlich natürlich die Seglerzeitschrift „Die Yacht“ wurden heimlich gekauft, um sich in dieses für uns noch so fremde Metier erst einmal gründlich ein zu arbeiten. In un*serem infizierten Zustand hatten andere für Frauen sonst so wichtige Dinge in unseren Köpfen keinen Platz mehr. Unsere Gedanken kreisen von früh bis spät nur noch um Boote jeglicher Größe und Preis*klassen. Heute bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass allein das Interesse am Thema Bootskauf schon als Freizeitgestaltung ausreicht, selbst, oder gerade dann, wenn man gar kein oder nur wenig Geld hat und sich deshalb auch kein Schiff leisten kann. Wie gesagt, heute! Diese Erfahrungen sind ganz frisch, und - nebenbei bemerkt, auch für mein persönliches Umfeld manchmal etwas irritierend. Vielleicht werde ich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auf dieses Thema zurück kommen. 1972 Aquarius ( Flying Cruiser ) Das Interesse an einem richtigen Boot nahm also das gesamte Denken von uns Frauen ein. Wir studierten alle in Frage kommenden Bootstypen und legten Listen mit Vor – und Nachteilen der je*weiligen Schiffe an. Unsere neue Anschaffung durfte ja auf keinen Fall teuer sein, denn es fehlten die angesparten Rücklagen. Auf die Idee, uns ein gebrauchtes Boot zu kaufen, nach Möglichkeit mit Pött un Pann, kamen wir Greenhorns mit unserer mangelnden Erfahrung natürlich nicht, und so hatten wir nur einen begrenzten Kreis an Möglichkeiten. Nach dem wir die für uns nicht in Frage kommenden Boote ausgemustert hatten, stand die Besprechung mit dem Kapitän auf dem Plan. Einigkeit macht stark, und so war es uns zwei Frauen ein Leichtes, ihn mit unseren fertigen Ideen zu überrumpeln und auch zu begei*stern. „Wir verzichten natürlich gerne auf unseren schon im letzten Jahr eingeplanten Italienurlaub, denn der wird so*wieso wieder viel zu teuer.“ „Thomas und Stephan sind übrigens auch mit unserem Vorschlag einverstanden.“ „Und mit Investitionen wie Verschönerungen und Verbesserungen können wir gut bis zum kom*menden Jahr warten!“, motivierten wir ihn. Mancher Mann braucht Jahre, um seine Frau von der Notwendigkeit eines Bootskaufs zu überzeugen. Unser Kapitän bekam die Idee von seinen beiden Frauen schon vorgekaut un*terbreitet. So war es uns ein Leichtes, den Kapitän für einen Flying Cruiser zu begeistern, den wir zwei schon vorher ins Auge gefasst hatten. In weiser Voraussicht hatte ich schon mit der Werft telefoniert und wusste deshalb, dass dort ein Flying Cruiser abholbereit, weil von einem Kunden nicht abgenommen, auf uns warten würde. „Am nächsten Wochenende könnten wir das Schiff bei der Werft in Süddeutschland abholen!“, lockten wir den Kapitän. Nach unserer Schlauchbooterfahrung kam uns allen dieses Schiff wie eine große Yacht vor, sodass wir an diesem Abend schon in guter demokratischer Abstimmung den Kauf des von uns vorgeschlagenen Bootes beschlossen. Aber wie das bei Frauen so ist: Sie bedenken nicht, dass das Auto des Kapitäns noch eine Anhängerkupplung braucht, das Schiff noch einen Anhänger, sprich Trailer und das alles vorher noch vom TÜV abgenommen werden muss. Aber woher sollten wir als in technischen Dingen unerfahrene Frauen so etwas auch wissen? Auch sonst kamen zu der recht preiswerten Grundaus*stattung eine Menge diverser Extras, die von mir vorher auch nicht mit einkalkuliert worden war. Der allgemeinen Begeisterung taten diese nicht mit eingeplanten Mehrkosten aber keinen Abbruch. Ich glaube, in unserer Situation hätten wir nach allem gegriffen, was nur in etwa einem Boot ent*sprach. Hauptsache: Wir konnten aufs Wasser und segeln! Wir hatten eigentlich gar keine hoch fliegenden Pläne. Dass es im Salon für fünf Personen zum Übernachten zu klein war, übersahen wir in unserer Euphorie. Hauptsache: Das Boot hatte zwei Längskojen(offiziell lt. Verkäufer 5 Schlafplätze, auf denen wir bei schlechtem Wetter Schutz finden konnten. Wir brauchten keinen Tisch, keinen Herd, keine Spüle, denn an Bord gab es sowieso nur kalte Küche, und die wurde von zu Hause mitgebracht. Und für das Andere hatten wir einen Eimer mit Deckel, eine so genannte Pütz. Wir waren mit unserer Wahl sehr zufrieden. Vorerst! Die Abnahme des Bootes bei der Werft und die Rückfahrt gestalteten sich für uns als problemloser Wochenendausflug. Schnell hatten wir sogar einen Liegeplatz gefunden. Wir nahmen natürlich nicht den erstbesten, nein, sondern den allerschlechtesten, das heißt, den einzigen, der im Revier so spät in der Saison noch zu haben und dazu noch sehr preiswert war, einen Liegeplatz im Hafen von Hermus. Allen älteren Segler ist der Hafen bestimmt noch gut in Erinnerung. Wenn man heute dort die modernen Steganlagen sieht, kann man sich gar nicht vorstellen, dass die Stege in den Pionierjahren des Segelsports nur als Überlebenstraining für vollkommen Schwindelfreie zu begehen waren. Der Hermus Yachthafen lag auf der kleinen Insel Hatenboer und war nur über eine Brücke, die so alt, morsch und klapprig war, dass sie im allgemeinen Sprachgebrauch nur die Rappelsbrücke genannt wurde, zu erreichen. Sie sah aus, als ob sie von den Pionieren im ersten Weltkrieg zur Eroberung der rechten Bag*gerlochseite provisorisch errichtet worden wäre. Die ganze Hafenanlage war morsch und einfach nur zusammen gekloppt und lebensgefährlich zu be*gehen. Obwohl das ganze System ächzte, quietschte und beängstigend wackelte, schafften wir es tatsächlich, sportlich und durchtrainiert wie wir waren, nicht ein einziges Mal ins Wasser zu stürzen, sowohl beim Begehen der Brücke als auch der Steganlagen. Unser kleiner Flying Cruiser hatte Plastiksitze, was bei drei Kindern und einem Hund sicher sinnvoll, aber für den weiblichen Teil der Crew nicht gerade attraktiv war, weil bloße Haut darauf so eklig kleben bleibt. Widerwillig nur deckte ich die Sitze mit Badetüchern ab, denn sie störten erheblich meinen Sinn für Ästhetik. Als Erstes verschönerte ich unser Boot mit lustigen bunten Gardinchen und als Krönung des Ganzen mit einem süßen Körbchen voller Strohblumen, dass ich mitten im Salon an der Decke befestigte. „Sieht das nicht süß aus?“, fragte ich erwartungsvoll meinen Skipper, der allerdings das Kunstwerk mit gemischten Gefühlen betrachtete. Leider machte mir das Hängekörbchen nicht lange Freude. Es pendelte zwar beim Segeln immer schön lustig hin und her wie eine Monstranz in der Kirche, streute aber jedes Mal alle die kleinen süßen Blümchen auf beide Kojen. Auch gefiel es dem Skipper gar nicht, dass er dem Hindernis im Salon jedes Mal aus*weichen muss, bevor er sich auf einen Kojenplatz fallen lassen konnte. So erklärte der Kapitän einfach den Schmuck als unschiffig und ließ ihn mir nichts, dir nichts unbemerkt im Wasser landen. Ich war maßlos enttäuscht, denn ich war und bin auch heute noch der Auffassung, dass doch nichts über ein gemütliches Ambiente geht, auch oder gerade in einem kleinen Boot. „Unsere Freunde haben auch ein Trockenblumengesteck an Bord!“ „Ja, aber die haben auch einen geräumigen Motorsegler!“ Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich in meinem ganzen Seglerleben mich immer wieder bemüht und auch meine ganze Fantasie eingesetzt habe, um aus einem maritimen Zweckfahrzeug ein heimeliges Zuhause zu schaffen, auf späteren Booten mit selbst gemalten Bildern, die fest verschraubt wurden, damit sie nicht bei Seegang unversehens auf dem Salonboden landeten, mit frisch gepflückten Blumen, die während des Segelns im Waschbecken festgezurrt wurden, mit seidenen Sofakissen, Tischdeckchen, Kupferlampen und Kerzen in ehrwürdigen Haltern. Der Leser wird also Verständnis für meine dadurch schon vorprogrammierten Enttäuschungen haben. Bei unseren Vorarbeiten an Schiff und Trailer auf unserem Parkplatz direkt vor der heimatlichen Haustür auf der Feldstraße war es natürlich nicht ausgeblieben, dass die lieben Nachbarn neugierig unser Tun beäugten, uns wissbegierig aus*fragten, uns zur Anschaffung dieser in ihren Augen großen Yacht gratulierten und sich selbst einluden. Tatsächlich, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, dass heißt an unserem ersten Wochenende im Hafen, kreuzten sie schon auf. Es war gewiss eine todesmutige Leistung von diesen haus*backenen Leutchen, sich über die Stege des Hafens zu wagen. Was Neugier doch so alles vermag! Ich sehe sie noch vor mir, als ob es jetzt wäre, wie sie ihre Köpfe über das Cockpit beugten, wie kleine Kinder vor Begeisterung in die Hände klatschten und zu uns herunter flöteten: „Ach, wie süß! Und da passen sie alle rein?“ Als verantwortungsbewusste Segelaspiranten kauften wir uns in einer Buchhandlung das bekannte Lehrbuch für Anfänger : Die Seemannschaft. Eigentlich hätten wir uns das Geld sparen können, denn für uns war sowieso alles kinderleicht. Aber mit diesem unentbehrlichen Ratgeber in der Hand hatten wir keine Probleme, uns wie perfekte Segler zu fühlen. Das Setzen des Mastes bot keinerlei Schwierigkeiten, die Befestigung der Wanten und Stage auch nicht. Alles wurde ja ausführlich und gut verständlich in der von der Werft mitgelieferten Gebrauchsanweisung beschrieben. Vorsichtig, wie wir nun einmal waren, machten wir unseren ersten großen Törn „Baggersee rund“ dann aber doch lieber ohne Wind. Sicher ist sicher! Schon in der ersten Lehrstunde bekam jeder von uns seinen eigenen Aufgabenbereich zugewiesen, der dann auch während unseres gesamten gemeinsamen Seglerlebens beibehalten werden sollte. Der Kapitän hatte selbstverständlich den Platz am Ruder und gab ihn auch nicht wieder her - eigentlich nie mehr, bis auf eine unrühmliche Ausnahme, von der ich später erzählen werde. Außerdem war natürlich die Bedienung des Außenborders seine Aufgabe als Mann. Dadurch ergab sich natürlich, dass Mutter, dass heißt meine Wenigkeit, die wichtige Rolle des Vor*schoters übernehmen musste, dazu alle niederen Arbeiten wie an – und ablegen, Fender aufhängen oder Segel setzen und bergen. Außerdem fiel mir die enorm wichtige Aufgabe zu, die entsprechenden Manöver aus dem Lehrbuch laut zu zitieren. Die drei Kinder mussten brav in der Ecke, das heißt auf den Cockpitbänken sitzen bleiben und sich nach Möglichkeit nicht so viel und heftig bewegen, weil das Boot sonst wackelte und der Kapitän es nicht auf Kurs halten konnte. Wir übten Segelmanöver und auch die dazu gehörenden Kommandos in allen Situationen laut Lehrbuch: Hoch am Wind, raumschots, achterlicher als dwars, mit achterlichem Wind. Aber dabei ergab sich ein Problem. Das Großsegel nämlich wollte und wollte nicht richtig stehen, sondern warf zwei große Falten, eine längs am Mast, die andere quer am Baum, egal, wie dicht wir den Tra*veller holten oder wie weit wir ihn ausfierten, Nichts half, das Groß*segel behielt seine Falten. „Ich glaube, die Wanten und Stage haben noch zu viel Spiel, die müssen unbedingt fester gespannt werden, damit die Segel richtig stehen! Doris, lies mal vor, was in deinem Lehrbuch darüber steht!“ „Ich kann nichts Entsprechendes über Segeltrimm finden. Vielleicht steht das erst in Band 2 für Fortgeschrittene.“ „Zeig mal her, vielleicht finde ich etwas.“ Etwas später: „Ich werde die Terminals noch um einige Umdrehungen fester spannen!“ Noch später: „Das ist eine Reklamation, morgen früh werde ich in der Werft anrufen!“ Der Kapitän war wütend und schimpfte mächtig über das Unvermögen der Werft, des Segelmachers und seine beiden Bordfrauen, die ihn zu diesem schlechten Bootskauf getrieben hatten. Wind kam auf, viel Wind sogar. Aller Ärger und Frust war in Sekunden vergessen. Unser Kapitän war hellauf begeistert: „Passt auf! Jetzt fängt es erst richtig an, Spaß zu machen!“ Vergessen war das schlecht stehende Großsegel. Das Boot war schnell – und wie. Wir kreuzten im Baggersee hoch, wendeten, fuhren die Strecke zurück, wendeten wieder, erfreuten uns an unserem Erfolg. Bald schoben wir soviel Lage, dass der Kapitän die Pinne nur unter großen Schwierigkeiten mit beiden Händen halten konnte. Das Schiff wollte ihm einfach nicht mehr gehorchen, wollte immer wieder in den Wind schießen. Mir brach der Schweiß aus. „Eigentlich sollte man reffen“, rief ich voller Angst dem neu gebackenen Skipper zu, „aber wie? Ich bin doch im Lehrbuch erst auf Seite sieben angelangt und habe bisher noch nichts von reffen gelesen. „Nein, es läuft gerade so schön!“, kam die Antwort von dem sichtlich überforderten Kapitän, dem der Schweiß auf der Stirn stand und der mit zusammen gebissenen Zähnen das Ruder umklammert hielt. Etwas später: „Wäre es nicht doch besser, ich würde nach vorne gehen und die Fock bergen? Schau nur mal, die Scheuerleiste ist doch schon unter Wasser!“ Die Kinder klammerten sich am Süllrand und am Niedergang fest, schauten mit ängstlichen Augen ab*wechselnd vom mutig drein blickenden Kapitän zum zaghaften Steuermann. Plötzlich ein Knall! Ein Zittern ging durch den Rumpf. Erschreckt schauten wir nach oben, zogen instinktiv unsere Köpfe ein. Was wir sahen, ließ Panik ausbrechen: Das Backbordwant war gebrochen. Instinktiv tat der Skipper das Richtige, er drehte das Boot auf den anderen Bug, um den Mast zu entlasten. Ohne lange nachzudenken, sprang ich nach vorne, riss die Fock und danach das Groß herunter. Notdürftig zuerst musste das frei schwingende Want gebändigt werden, dann wurden die Segel gebändigt. Schweigend ging es zurück in den Hafen. Das war unser erster so erfolgreich verlaufender Segeltag. Wutentbrannt telefonierte der Kapitän am nächsten Tag mit der Werft. Er musste sich dann aber nach einer langen erfolglosen Diskussion belehren lassen. „Wanten und Stage dürfen niemals so stramm getrimmt werden! Sie müssen Spiel haben, damit der Mast seinen Bewegungsspielraum behält! Wussten Sie das nicht? Wenn Sie den Mast richtig trimmen, dann wird auch das Großsegel keine Falten mehr werfen!“ Na, ganz so hatte der Skipper das Gespräch mir nicht übermittelt, aber ich hatte anschließend fein im Segellehrbuch auf Seite 47 nachgelesen, damit uns solche Fehler nicht mehr passieren. Dafür sind uns in den langen Segeljahren massenhaft andere Fehler und Missgeschicke passiert, immer wieder andere – bis heute! Nur langsam freundeten sich unsere Söhne etwas mit dem Wassersport an, wohl weil es ihnen keinesfalls gefiel, immer brav im Cockpit still sitzen zu müssen. Da unsere Segeltörns nie länger als zwei bis drei Stunden dauerten, winkte ihnen dann aber die große Freiheit im Kreis der anderen Kinder. Wir selbst hatten auch schnell eine Gruppe Gleichgesinnter gefunden und wir Frauen waren froh, ungestört unseren Klönschnack halten zu können. Die großen Ferien mit unserem Flying Cruiser sollten für uns alle zu einem einmaligen und unvergesslichen Erlebnis werden. Durch unsere Segelfreunde vermittelte man uns in Kortgene ein Hausboot. Es lag nicht in dem großen unpersönlichen Yachthafen, sondern in dem parallel dazu verlaufenden kleinen Stichkanal, den auch die Berufsschifffahrt nutzt. Wir brauchten unser Boot nur wieder auf den Trailer zu packen, es zu Hause mit allem Notwendigen und Überflüssigen zu beladen – und schon konnte die Reise losgehen, mittlerweile mit sechs Personen. Un*sere Familie hatte Zuwachs bekommen. Außer unserem schwarzen Pudel Nicky hatten wir noch einen kleinen schwarzen Kater, den man ausgesetzt hatte und den unsere Kinder gerettet hatten, in unser Herz geschlossen, unseren Kater Mikesch. Fein im Sicherheitstrakt eines Körbchens aufgehoben begleitete er uns. In Kortgene wurde das Boot geslipt und bekam dann für die gesamten Schulferien seinen Platz am Geländer der Terrasse unseres neuen Domizils Wir brauchten nur über die Balkonbrüstung zu klettern, und schon waren wir an Bord. Dieses Hausboot war das Schönste und Gemütlichste, was ich bis zu diesem Zeitpunkt kennengelernt hatte. Es war komplett eingerichtet für bestimmt 24 Per*sonen, sodass der ganze Kreis der befreundeten Segler sich bei uns oft zum Essen einfand. Ganz in der Nähe des Hafens hatten einige Familien aus Mönchengladbach, die Segler, Motorbootfahrer, oder auch einfach nur Sonnenanbeter waren, sich Häuschen gekauft, die damals noch preisgünstig waren, heute aber immens teuer geworden sind. Dadurch lernten wir auch viele interessante und vor allem wichtige Leute aus unserer Heimatstadt kennen und unser Freundeskreis erweiterte sich immer mehr. Die Kinder hatten eine riesige Clique gegründet und waren fast immer unterwegs mit gemieteten Fahrrädern, meist zum nahe gelegenen Strand. Täglich segelten wir gemeinsam mit den anderen Yachten auf dem Versemeer und der Oosterschelde. Die unzähligen Parties, die wir damals fei*erten, sind mir bis heute in bleibender Erinnerung geblieben. Mikesch, unser Kater fühlte sich in der ländlichen Umgebung sichtlich wohl. Täglich machte er sei*ne Streifzüge in die Ställe und Scheunen der umliegenden Bauernhöfe. Er war ein mutiger kleiner Kerl, der nicht unseren kleinen Steg zum Hausboot benutzte, sondern einen von ihm entdeckten Privatweg, durch das immer offen stehenden Toilettenfenster und dann über ein Abwasserrohr, welches das Haus mit dem Land verband. Bei einem plötzlich auftretenden Gewitter mitten in der Nacht allerdings entwickelte er eine solche Panik, dass er durch die geöffnete Luke sprang, ins Wasser fiel, aber trotzdem blitzschnell das andere Ufer erreichte, um auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Tagelang wurde er verzweifelt von der ganzen Familie gesucht, er blieb verschwunden. Plötzlich, nach knapp einer Woche tauchte er wieder auf, kugelrund gefressen. Ich glaube, seitdem gibt es in Kort*gene keine Mäuse und Ratten mehr. Wir waren immer eine gastfreundliche Familie. So blieb es natürlich nicht aus, dass der Kapitän einen befreundeten Geschäftsmann mit seiner Gattin zu uns an Bord einlud. Beide nahmen auch hellauf begeistert diese Einladung auf unsere Segelyacht an. Dann standen sie lange zögernd auf dem Anlegesteg. Man sah in ihren entsetzten Augen, dass sie sich unter einer Segelyacht nicht so ein kleines Bötchen wie das unsere vorgestellt hatten, sondern mehr eine Yacht, wie man sie zu Hunderten an der Cote d`Azur findet, mit Gangway, Deckliegestühlen und Longdrinks. Lange wagten sie trotz unseres Zuredens nicht, über den Bugkorb an Bord zu klettern. Es war für beide Seiten eine schrecklich peinliche Situation. Erst unseren vereinten Bemühungen gelang es, sie über die gefährliche Bordwand zu hieven. Der Balanceakt an der Reling vorbei bis ins Cockpit gestaltete sich anschließend zu einem noch größeren Problem. Starr den Blick auf die schwarze Tiefe des Wassers gerichtet, fürchteten sie schon, jeden Moment zu ertrinken. Trotz all unserer Beteuerungen, wie harmlos und ungefährlich Segeln ist, hielten sie ihre zwei riesigen Proviantkörbe, den einen voller Lebensmittel, den anderen voll hochprozentiger Spirituosen, in ihren Händen und wollten auch mit Bitten und Schmeicheln nichts davon hergeben. Endlich ließen sie sich in unserer kleinen Ka*jüte laut aufatmend auf den zwei gegenüberliegenden Kojenbänken fallen und hielten sich dabei mit verkrampften Händen an ihren zwei riesigen Körben fest. Es wehte zwar nur eine leichte Brise, doch in ihren Gesichtern stand blanke Angst. Starr vor Panik beobachteten sie jede Bewegung des Schiffes und jede Anweisung des Kapitäns. Eine aufmunternde Unterhaltung war nicht möglich. Ihre Plätze verließen sie erst wieder, als wir wohlbehalten an unserem Steg angelegt hatten. Niemals wieder sind Sie an Bord gekommen. Durch einen Zufall lief mir nach langer Zeit die Dame wieder über den Weg. Ich freute mich, da wir viele gemeinsame Interessen hatten und überdies feststellten, dass wir beide seit Jahren Witwen waren. Wohlweislich vermied ich das Thema Schiff, und wir vereinbarten ein Treffen. Es wurden natürlich Erinnerungen ausgetauscht. Gänzlich unbedarft erzählte ich ihr freudestrahlend, dass ich viele Jahre an der Seite meines Mannes an Mittelmeer, Nord und Ostsee gesegelt sei. Das Gesicht versteinerte, sie legte das Geld für ihr Gedeck auf den Tisch, verschwand und ließ mich ratlos mit offenem Mund zurück. Ich kann mir nur vorstellen, dass sie mich entweder für eine Lügnerin und Aufschneiderin hielt oder dass wir in ihrer Fantasie diese Reisen alle mit dem kleinen Flying Cruiser gemacht hatten. Ich werde es wohl nie erfahren. Ähnlich verlief eine weitere Begegnung mit guten alten Freunden. Wir hatten sie eingeladen und freuten uns, da wir ideales Segelwetter, also Sonnenschein bei einer leichten Brise hatten. Zuerst führen wir unseren Freunden unser frisch erworbenes Können vor und wunderten uns, dass sie erschreckt reagierten, wenn das Boot schon etwas Lage schob. Um uns nicht auch ihre Gunst zu verscherzen, holten wir sicherheitshalber die Segel herunter und starteten den Motor. Das beruhigt sie! Später fuhren wir unter Maschine bis ganz ans Ende des Reviers, wo ein Wehr bei der Schleuse Linne ist. Wir kannten den Platz. Dort war es damals noch ganz ein*sam und idyllisch unter Bäumen, die ihre Zweige bis aufs Wasser hängen ließen. Dieser romantische Platz gefiel uns so gut, dass wir beschlossen, nicht wie die anderen schon beizeiten die Rückkehr anzutreten, sondern bei einem guten Glas Wein noch den Abend mit seinem romantischen Sonnenuntergang abzuwarten. In der ersten Dämmerung hoben wir gut gelaunt den Anker und wollten den Motor für die Rückfahrt starten. Plötzlich stotterte unser Außenborder und setzte dann aus. - „Wir haben kein Benzin mehr!“, stöhnte der Kapitän, nachdem er alle anderen Möglichkeiten ausprobiert hatten. Wir hatten die nötige Promillegrenze lange überschritten und amüsierten uns köstlich: „Dann müssen wir eben hier auf der Maas übernachten!“ „Ach nein, das ist nicht nötig, wir haben doch unsere Paddel.“ „Ein umsichtiger Kapitän muss auch an solche Missgeschicke denken“, moserte unser Gast. „Es ist doch gut, dass ich auf solche Eventualitäten gut vorbereitet bin“, reagierte darauf stolz der Skipper und rieb sich die Hände. „Steht mal alle bitte auf, ich muss an die Backskisten!“ Eilig holte der Kapitän nun unsere zwei Schlauchbootpaddel hervor – nein, es waren nicht die von unserem inzwischen wieder verkauften Schlauchboot – nein, zu un*serem Glück hatten wir in den Backskisten noch zwei kleine zusammensteckbare Paddel, die zu einem Kinderpla*stikboot gehörten. Skeptische Blicke: „Wer hat von allen die längsten Arme?“ Immer noch lachend: „Habt ihr einen Zollstock? Wir müssen doch die verschiedenen Armlängen vergleichen!“ Zum Glück für uns Frauen beschlossen die Männer dann doch, diese anstrengende Arbeit auf sich zu nehmen. „Wenn wir uns ganz weit aus dem Schiff beugen, können wir mit den Paddeln ganz bestimmt die Wasseroberfläche erreichen. Unser Freibord ist zum Glück ja nicht hoch“, beruhigte er nun die Gäste. „Ja, aber ich erreiche sie nur mit den Blattspitzen, leider! Ich bin nun mal nicht so groß!“ Wir waren aber alle erleichtert, dass wir nicht auf der Maas übernachten mussten. Es ging los! Wir Frauen assistierten, indem meine Freundin mit der Taschenlampe uns heim leuchtete und ich mich zum ersten Mal als Rudergänger versuchen musste. Bei meinen bis zu diesem Zeitpunkt geringen Steuerkenntnissen neigte das Boot natürlich immer wieder dazu, mir nicht zu gehorchen und an das eine oder andere Ufer zu treiben. „Sagte ich euch eigentlich schon, dass ich nachtblind bin?“ Mühsam und schmerzhaft wurde die Heimfahrt für die Paddler. Wir schlichen im Schneckentempo die Maas abwärts. In der Dunkelheit vermeinten wir, uns auf der Stelle zu bewegen. Es dauerte tatsächlich mehrere Stunden, bis wir Hafen und Anlegesteiger erreichten. - und auch das nur, weil die Strömung der Maas uns etwas half. Unsere Gäste verabschiedeten sich mitten in der Nacht von uns, ohne noch ein Wort mit uns zu wechseln. Leider werden auch sie niemals mehr zu unseren doch so schönen Exkursionen kommen. An solchen banalen Erlebnissen scheitern traurigerweise auch die besten Freundschaften. Damit muss man eben zu leben lernen. „Unsere Freunde haben einfach keinen Sinn mehr für richtiges Abenteuer!“, stellten wir enttäuscht fest. So blieb uns nur die Familie, wenigstens vorerst. In den ersten Wochenunseres Seglerdaseins besuchten uns Oma und Opa. Wie es sich für die Eltern eines Kapitäns gehörte, waren sie bemüht, auf dem begrenzten Raum des Bootes so wenig Platz wie möglich einzunehmen und uns so wenig Mühe wie möglich zu machen. Brav und diszipliniert saßen sie während des gesamten Segeltörns, trotz der Flaute und schrecklichen Hitze unten in der Kajüte. Für mich blieb der Stehplatz im Niedergang, der aber den Vorteil hatte, mich so mit der Familie draußen und den Großeltern drinnen unterhalten zu können und als gute Hausfrau alle mit Getränken versorgen zu können. Mehr durch Zufall sah ich eine schwarze Wolkenwand wie eine Walze herankommen, die das Boot in Sekundenschnelle flach aufs Wasser legte. Instinktiv stürzte ich an den Mast, klammerte mich fest und riss Genua und Groß herunter. „Das ist ja noch einmal gut gegangen“, atmeten wir anschließend erleichtert auf, hatten wir doch gefürchtet, die braven Leutchen unten in der Kajüte in Panik zu stürzen. Aber Oma und Opa blieben in stoischer Ruhe ohne erkennbare Reaktion auf ihren Plätzen sitzen. Vielleicht hielten sie diese Art Manöver für normal oder ihr Vertrauen in die Fähigkeiten von Schiff und Kapitän waren unerschütterlich. Überraschend anders fielen die Besuche von meiner Mutter, Oma Lieschen aus. Sie, klein und zierlich und immer ganz Dame, kleidete sich trotz ihres Alters immer noch auffallend elegant. Sie war immer lustig und versuchte, jeder Situation noch eine heitere Seite abzugewinnen. Ihre Be*suche an Bord benutzte sie wie eine Filmdiva zu einer gelungenen Selbstdarstellung. Also, Oma Lieschen rollte an – mit einer riesigen Reisetasche voll schicker Klamotten. Und dann wurde fotografiert: Oma vor dem Mast mit Florentinerhut und im wehenden Seidenkleid, Oma im Bugkorb im Badeanzug, vorne geschnürt, mit wildem Tigermuster, (von mir ausgeliehen und nie wieder zurück gegeben) Oma im Heckkorb neckisch in Shorts und halb durchsichtiger Seidenbluse, Oma im Cockpit, die Beine kokett übereinander geschlagen, natürlich in Pumps.( nach einem bitterbösen Blick des Käptn´s zog sie diese aber schnell wieder aus) – Plötzlich erschien sie aus dem Dunkel der Kajüte wie die Monroe in kesser blonder Lockenperücke. - natürlich wie immer mit dem obligaten Drink in der Hand, denn einem Gläschen in Ehren war sie nie abgeneigt. Zum Abendessen, passend zu Kartoffelsalat mit Frikadellen auf Plastikgeschirr, kam sie aus dem Dunkel der Kajüte dann im maritimen zweireihigen Blazer mit weißer Kamelie, natürlich mit dazu passender Bügelfaltenhose. Ich habe vage in Erinnerung, dass sie während unserer Rundfahrten durch die Baggerseen vorzugsweise im Bugkorb sitzend fröhlich lächelnd nach Back – und Steuerbord huldvoll winkte, wie die Queen, wenn sie in ihrem Rolls Royce aus dem Buckingham Palast anrollt. „Ja, und für wen brauchst du bloß alle die Fotos, Mutter?“ „Ach, weißt du, die sind doch für meine Freundinnen zu Hause“, antwortete sie kokett, „ich habe ihnen erzählt, dass meine Kinder jetzt Besitzer einer großen Yacht sind!“ Allerdings stellte sie uns kurz darauf einen netten Mann vor als ihren neuen Verehrer. Hoch erfreut waren wir, in dem Revier von Roermond dann so viele nette Leute kennen zu lernen. Immer wieder wurden wir eingeladen, doch auch auf unserem Boot zu übernachten. „Bleiben Sie doch hier!“ „Hier ist es abends so schön!“ „Wir grillen oft am Steg, aber auch manchmal in den Ankerbuchten, wenn wir dort übernachten wollen!“ Unsere Kinder, aber auch die Freunde unserer Kinder moserten enttäuscht, wenn wir allabendlich zu*rück nach Mönchengladbach fuhren. Und wir waren selbst auch traurig, weil wir immer gerade dann nach Hause mussten, wenn es auf den Stegen anfing, so verführerisch zu duften und alle „Hoch die Tassen!“, schrieen. Als wir dann Herrn Freese. kennen lernten, lag er eigentlich schon in der Luft, der nächste Bootskauf, meine ich. Herr Freese imponierte uns am Anfang, weil er so gekonnt prahlte sodass wir alle seine Worte für bare Münze nahmen. Er renommierte mit seinen Beziehungen zu allen wichtigen Leuten von der „Yacht“, mit seinen Erfahrungen auf allen Weltmeeren, die er sogar schon mit seiner Neptun befahren hatte. „Ach Hochseeregatten“, flötete seine Frau mit gekonntem Augenaufschlag, „das ist doch etwas ganz anderes als hier die Regatten auf diesem Tümpel!“ Wir erstarrten in Ehrfurcht. Aber Herr Freese mit den vielen Beziehungen schaffte es auch tatsächlich, uns für das kommende Jahr einen der begehrten Liegeplätze in Heerten zu besorgen, in einem Hafen mit ordentlichen Stegen uns sauberen Toilettenanlagen. Eines Tages wurden wir von Stegnachbarn auf ihre Neptun 22 eingeladen. Sie priesen ihr Boot in den höchsten Tönen. „Schaut nur einmal, wie wunderbar geräumig dieses Schiff von innen ist und vor allem wie gemütlich, fast wie unser Wohnwagen, den wir früher hatten!“ „Wirklich, es ist geräumig genug, um auch mit 2 Erwachsenen und drei Kindern so wie wir groß genug zum übernachten zu sein!“ „Und mit der herzausziehbaren Pantry am Niedergang kann der Smutje sogar im Stehen kochen und be*kommt gleichzeitig das Geschehen draußen noch mit!“, lobte die Nachbarin. „Ich weiß, dass ist uns Frauen auch ungeheuer wichtig“, stellte ich höchst erfreut fest. „Da die Neptun ein Kielschwerter ist, können wir überall bequem aufs Ufer fahren, was unseren Kindern natürlich immer großen Spaß macht.“ „Was hat das Boot denn sonst noch für Vorteile?“ „Sie hat enorm viel Platz zum Sonnenbaden“; schwärmte die Nachbarin mit ganz verklärten Augen. „ Für uns Frauen ist das auch ein sehr wichtiges Argument.“ „Natürlich! Und was das für ein Argument ist!“, stimmten wir begeistert zu. Außerdem, was für Sabine und mich das Wichtigste war, sie gefiel uns einfach! Und ich hatte auch schon Ideen, wie ich sie noch gemütlicher machen konnte. Jetzt mussten wir nur unseren Kapitän noch von den Vorzügen einer Neptun überzeugen. Wir hatten natürlich schon lange gemerkt, dass bei ihm als ehemaligen Radrennfahrer Regattaambitionen durchbrachen. „Und wir haben bei Vergleichsbooten im Revier sogar mittlerweile testen können, dass das Schiff sehr gut läuft, hoch an den Wind geht und auch kursstabil ist!“ Dieses Argument war dann für ihn ausschlaggebend. Wir hatten Glück mit dem Verkauf unseres Flying Cruiser. Vielleicht waren ja auch die schönen Gardinen, Kissen und Bilder, die jedes Frauenherz entzücken mussten, dazu beigetragen
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