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Selbstbauer von neuen Booten und solche die es werden wollen. |
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Themen-Optionen |
#1
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The Farthing - Mini Cruiser junk rigged
Hi,
ich wurde schon desöfteren gebeten hier mein Projekt vorzustellen. Immer war meine Zeit zu knapp bemessen - auch jetzt noch- doch ich versuche es einfach mal. Short Bio: zum Segeln kam ich als Jugendlicher, mit einem Freund erkundeten wir in Stgt. den Max-Eyth-See mit einem Metzeler Schlauchboot -Maya-. Unvergessen, als wir in einen Sturm -sic- gerieten, mir die Fockschot um die Ohren peitschte,wir mit Mühen irgendwie das Ufer erreichten und triefnass das Boot und uns sichern konnten. Auch meine Familie besass damals (70er Jahre) ein Gummikayak, worauf ich als 13-jähriger eine Besegelung wie beim Metzeler konstruierte. Ich erinnere mich, als sei es gestern, wie ich den 2,5m langen Mast der Gaffelbetakelung mit dem Fahrrad über Berg und Tal von Feuerbach zu unserer Wohnung schleppte, denn in den 70ern gab es noch keine Baumärkte und auch meine Eltern standen dem Projekt nur ablehend gegenüber. Die Bodeneinlage aus Sperrholz, sündhaft teuer ebenso wie die Seitenschwerter und das Ruder, alles aus dem Taschengeld zusammengespart. Imprägniert wurden die Teile mit Xylamon - stinkend, daher auf dem Balkon. Ebenso unvergessen die Erstwasserung mit meinem mit Stolz aufgebauten Wanderkayak aus Gummi mit Besegelung. Nachdem das Teil nur rückwärts schwamm, begrub ich -zwanzig Meter vom Ufer entfernt- meinen Traum vom Segeln, endgültig und für alle Zeiten - zu teuer, frustrierend, nicht meine Welt. Erst knapp vierzig Jahre später fing ich wieder an, restaurierte eine Europe Jolle, um dann doch zu merken, dass dieses Teil zu klein ist. Aber es reichte aus um mich wieder hineinzuziehen. Es folgte: Grundschein Segeln, SBF See, SKS und gleichzeitig der Drang ein Boot zu bauen. Die Entscheidung: Nach vielen Recherchen im Internet blieben 4 Boote: Didi23 (dixdesign.com), Vagabond 24 (bateau.com), Swaggie (jwelsford.com). Das vierte fand ich erst ein wenig später und dieses sollte es werden. Farthing von MacNaughton.com. Nach meiner Europe-Episode baute ich erst mal ein Kanu - zur Probe- um zu sehen, ob ich etwa eine Epoxy-Allergie entwickeln würde. Es ging gut, machte Spaß und auch meine Frau fand Gefallen an diesem Projekt. Meine vorsichtige Frage, ob sie vielleicht ein größeres Bootsprojekt "stören" könnte, beantwortete die Wundervollste aller Wundervollen mit "Nur zu". Aber nach meinen Erfahrungen mit ihr auf einer Jolle (ein bisschen Wind, sie ließ die Fock sausen und verkroch sich im Vorschiff) und ihren anderen schlechten Vorerfahrungen mit anderen Seglern überlegte ich mir im Stillen, dass ich wohl besser nur einen Einhandsegler realisieren sollte, der aber mehr Möglichkeiten bieten sollte, als nur auf einem See hin - und herzufahren. Gleichzeitig wollte ich auf keinen Fall so ein stinkendes Kunststoffboot - und schon gar kein Refit. Nach der Erfahrung mit der Europe - Rumpf abschleifen und so weiter, neu lacken etc. und doch kein neues Boot haben - stand fest: Boot selbst bauen, so wie Du es selbst haben willst. Was mich an Farthing reizte, war eine Menge: -klein -im Hinterhof zu realisieren -überragende Seetauglichkeit -das universale Junk-Rigg -trailerbar -überschaubar in Kosten, Dimensionen etc.. Das Boot: Zu 1: Klein - das war mir dann doch zu klein. 15 Fuß! Ich beschloss, das ganze zu skalieren auf 17 Fuß. Zu 2: Hinterhof. Bei mir der Carport, dann aber doch zu klein. Zu3: Seetauglichkeit: Das muss sich wohl erst zeigen. Zu4: Trailern: Funktioniert ohne Problem Zu5: Auch hier: Es ist überschaubar, jedoch, je weiter man sieht, um so höher werden die Kosten Also gut. Entscheidung getroffen. (Was dem alles voraus ging hinsichtlich der unterschiedlichen Bootstypen, sprengt den Rahmen). Im Internet einen Plan bei der yahooGroup gefunden. Gekauft, geliefert, gefreut. Der Riss: Geändert von chromofish (17.02.2013 um 09:53 Uhr)
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#2
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Das Boot
Farthing ist die kleinste Version der Coin Collection von Tom MacNaughton. Diese reicht von 15 - 36 Fuß. Es existiert aus dieser Serie lediglich ein einziges, selbst gebautes in Schweden von Matti Palm - sylinnea.com-. Matti hat die 36 Fuß Version gebaut. Im Bau befindlich sind Sovereign -32 Fuß- in Amerika und eine Penny26 in Thailand. Penny allerdings wurde vom Bauherrn aufgegeben, da der Bootsbauer in Thailand den Vertrag nicht korrekt erfüllte. Eine weitere Farthing ist in der Projektphase von Eric, dessen Modell ist auch auf der Seite von MacNaughton als Baumodell vorgestellt. Meine Farthing ist die einzige weltweit, die momentan und überhaupt gebaut wird. Unique!!! Woran diese mangelnde Wertschätzung liegt? Darüber lässt sich nur spekulieren. Die Boote der CoinCollection von MacNaughton atmen den Geist des vergangenen Jahrhunderts. Es sind Langkieler mit einem Flushdeck (=kein Cockpit), dazu haben sie ein Dschunkensegel. Sie entsprechen nicht im mindesten dem heutigen Geist, der ein großes Cockpit verlangt und gleichzeitig eine große Kajüte. Das Cockpit wurde weggelassen, weil es sich um Oceancruiser handelt, die ohne Cockpit auskommen können. Die Segel werden von innen bedient. Diese Merkmal wie auch die Windfahnensteuerung haben alle Boote dieser Baureihe von MacNaughton. Farthing ist ein schwerer Verdränger. Mit einem Ballastanteil von knapp 400 kg in der Originalversion schwimmt sie mit ihrem Flushdeck und voller Ausschäumung wie eine Flaschenpost auf dem Wasser - sie soll laut Designer allen Stürmen widerstehen können. Nicht, dass ich mich selbst so etwas aussetzen möchte, aber es ist doch irgendwie beruhigend zu wissen, dass das Boot eine Menge ab kann, aufgrund der Vorgaben des Designers. Lustig wird das schon aussehen, wenn ich mit dieser "corked bottle" meine Jungfernfahrt auf dem Bodensee unternehmen werde. Kein Cockpit! Und wo sonnst Du Dich (bzw. Deine weibliche Crew)? >to be continued< Geändert von chromofish (13.11.2010 um 00:22 Uhr) Grund: Ausmerzung legasthenischer Anfälle
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#3
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Geil!!
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Mit sonnigen Grüßen Achim
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#4
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Der Plansatz von Farthing
Der Plansatz
geliefert werden mehrere Pläne im Format 60x80cm. Blaupausen, die zum Teil etwas schwer lesbar sind. Alles in Englisch und Zoll. Die Pläne zeigen sehr vielfältige Details, doch... wer jetzt erwartet, dass er 1:1 Kopien findet, wo er die MAße abgreifen kann, wird schwer enttäuscht sein. Er er erhält eine TABLE oF OFFSETS und diverse Schnitt und Ansichtszeichnungen, den Segelplan, die Windfahnensteuerungskonstruktion, Motorfundamente, Innenausbau etc. Also: DU ERHÄLTST HIER KEINEN PLAN, DEN DU 1:1 ÜBERNEHMEN KANNST. (Schreimodus aus) Die Pläne folgen dem alten Bootsbauerschema. Aus der Offset-table musst du dein gesamtes Boot loften!!! sprich, selbst auf großformatigen Tafeln 1:1 zeichnen, mit strakenden Linien und entsprechenden Leisten / Gewichten, letztere sauteuer, oder du nimmst halt Nägel und haust sie in den Boden Deines Loftingstudios, das du natürlich gleich um die Ecke gemietet hast. MacNaughton nimmt da keine Rücksicht auf uns moderne Menschen, die gerne Originalpläne einfach durchzeichnen möchten. Nein! Wir zeichnen unsere Pläne selbst!!! Das ist halt noch 20. Jhdt.!!! OK. Ich habe es versucht. Ich habe versucht seine Pläne auf entsprechenden Hartfasertafeln zu loften. Doch die Vorgeschichte zuerst. Das Modell: Ein kluger Mensch baut vor größeren Vorhaben zunächst einmal was? Ja, richtig, ein Modell. Das habe ich gemacht. Also, zunächst: Die ganzen Offset-Koordinaten von inch auf metric umgerechnet (Filemaker sei dank). Gleichzeitig um 10% skaliert (s.o.). Die ganzen Koordinaten in Illustrator von Adobe eingesetzt, das ganze dann strakend gezeichnet (mit Bezierkurven und so). Schlussendlich an Corel übergeben und dann in meine Mini-CNC-Fräse eingegeben, die ich irgendwann mal so aus Jux und Dollerei gebaut habe. Spanten gefräst, natürlich ohne Schmiegen. Aufgebaut, Kiel, Steven, Spiegel etc. Konstruiert. Zusammengebaut. In 2-wöchiger Kleinarbeit mit Balsaholz zusammengeplankt. Gespachtelt und lackiert. Insgesamt ein Vorgeschmack, auf das was mich dann in natura erwarten wird. Das Ergebnis: Ein ziemlich beuliger Schiffsrumpf, der wohl einer Revision bedarf. Fazit: Hüte Dich vor irgendwelchen Offset-Tables. Notizen des Designers: "Report Bad Offsets to the Designer." (Bananenstrategie = Reifen beim Kunden, könnte man das auch nennen) Nicht, dass damit das Schiff irgendwie schlechter würde. Dies ist und war eine gängige Konstruktionsmethode. Der Schiffbauer hat letztendlich entschieden, wie der Rumpf genau aussehen wird. Der Designer ist nur für die Gesamtform verantwortlich. Dass es strakt, liegt in der Verantwortung des Bootsbauers. Also nixx für Instant-Bootsbauer nach stitch-and-glue-Verfahren mit 100% erfolgs- oder Geld-zurück-Garantie. Und trotz allem: I LOVE THIS SHIP! Ein Hoch auf Tom. SKOL! Geändert von chromofish (13.11.2010 um 01:04 Uhr) Grund: legasthenie anfall kuriert
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#5
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Das Modell
Ein paar Bilder vom Modell zeigen illustrierend die vorhergehenden Äußerungen:
Bisschen beulig, aber man erkennt gut die Rumpfform und die entsprechende Seegängigkeit (schönes Wort!) Von diesem Modell habe ich natürlich ca. 100 Fotos gemacht (Erfolg, Erfolg!), doch ich mute euch nur 2 zu, Die Balken sind Teil der Helling. Gut sieht man auch den Bleikiel, der darunterhängt. Ab jetzt gibt es dann nur noch Fotos vom originalen Bauprozess (will euch ja nicht mit geschönten Fotos verwöhnen) Bert Geändert von chromofish (17.02.2013 um 09:53 Uhr)
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#6
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Bauprozess
Mein Bauprozess hat bislang recht lange gedauert.
Der Designer spricht von 7 Monaten. Fakt: April 2008: Entscheidung für den Plan Mai-Okt. 2008: Loftingphase für das Modell Okt.08 - Dez.08: Modellbau Nov. 08: Materialsuche Dez. 08: Bestellung der Strips Dez.- Feb: 09: Schäften der Strips Dez 08.- Mai.09: Loftingüberlegungen - Konkretisierung Mai-August: 09 Materialbeschaffungen Okt 09: Organisation Material Mast Okt 09 : Guss der Ruderbefestigung Juni 09-April Feb 10: Neuorientierung: Lofting mit Freeship Februar 10: Bau des Ruders Februar 10: Beginn Bau der Mallen April 10: Organisation Bootssperrholz Innenausbau, Trailer Mastbau: Juni- August 2010 Juli 2010: Heckspiegel August: 2010: Steven Aufbau der Mallspanten Juli-August 2010 Umzug Nov. 2010 Kiel: Okt. 2010 Beplankung: voraussichtlich Dez 10 Innnenausbau: -April 2011 Deck: Mai 2011 Segel: Dez.-Mai 2011 (alle Angaben nur ungefähr) All diesen Prozessen ging jeweils eine intensive Planungsphase voraus. Mit allen Materialien vor Ort, einem klaren Bauplan und entsprechend viel Zeit könnten 7 Monate vielleicht eingehalten werden, ein Amateur (Hauptverdiener) braucht wohl 3mal so lange. Schließlich ist Geld ja auch nur begrenzt verfügbar, da mtl. begrenzt. Vom Beginn der Entscheidung bis zum Stapellauf: 3 Jahre
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#7
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Hallo Chromofish,
eher zufällig auf Deine beiträge gestossen, bin ich ganz begeistert! Endlich jemand der eine Farthing baut! Super!! Auch für mich immer noch ein kleines "Traumboot"! Ich tendiere zwar eher zur Swaggie, da ich inzwischen die Vorzüge der leichteren Konstruktion zu schätzen weiß aber die Farthing-Form ist natürlich der Hammer! Eines kann ich Dir jedenfalls schon jetzt sagen: das Dschunkenrigg ist das Beste der Welt (auch wenn ich heute statt des Hasler- ein Fenix-Rigg aus carbon bauen würde...). Die Skeptiker haben das selbst nicht ausprobiert (oder auf den falschen Rümpfen). Wenn Du Hilfe wegen des Riggs brauchst, oder Fragen hast (die kommen spätestens nach dem ersten Segelsetzen...die ersten Schläge sind entmutigend...) solltest Du Dich nicht scheuen Kontakt zu mir aufzunehmen. Und zum Bau, lass Dich nicht entmutigen und "zieh durch"! Ich weiß wovon ich spreche, habe ich doch mein jetziges Boot in 10 Monaten gebaut. Mein Boot findest Du unter www.dschunkensegel.de Halte uns auf dem laufenden Ingo
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#8
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Guss der Ruderbeschläge
Farthing als OceanVoyager benötigt spezielle Ruderbeschläge. Für ein 4,51 m Schiffchen in der Originalversion sind die ziemlich heftig und nicht im Handel erhältlich. Ich habe sie gießen lassen.
Das linke Teil sitzt am Ruder (Gabel), das rechte am Transom. Diese Teile gibt es jeweils doppelt und werden mit einer 25 mm Bronzestange verbunden (die Löcher müssen noch gebohrt werden). 5 Meter-Boot und so ein Beschlag? Ja, der Designer schreibt es vor. Geändert von chromofish (17.02.2013 um 09:53 Uhr) |
#9
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ruderbeschlag
Länge des Beschlags am Transom:
ca. 15cm Gabeldicke Ruder: auslaufend von 0,9 auf 0,6cm. Gegossen in Silikonbronze von einem Glockengießer während eines Glockenbauworkshops. War `ne tolle Aktion. |
#10
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engl. Silicon = dt. Silicium (Element)
engl. Silicone = dt. Silikon (siliciumhaltiger Kunststoff, der ist aber in der Legierung sicher nicht drin). Silikonbronze ist eine Farbe, kein Metall. Kai |
#11
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Zitat:
"Silicon Bronze are alloyed with 1-3% Silicon, about 10% of Iron, Nickel, Manganese or Tin also be present. The silicon bronze has excellent chemical resistance and become stronger when worked. eg. BY Rolling. The silicon bronzes are used for Pumps, Boilers, Marine Hardware And Chemical Vessels. And one alloy in this family is prefered by sculptors. (Beacause of its colour and fluidity). " Quelle: http://www.siliconbronze.net/ Mein Gießer kannte diesen Begriff auch nicht, er mixte dann statt der obengenannten Zutaten das Material für Rotguss, also eben nicht Siliziumbronze. Die Beschläge sind salzwasserfest (getestet), vielleicht nicht so hochfest wie die Siliziumbronze. Die Bronze für Glockenguss ist allerdings zu spröde und zerspringt unter großer Belastung, wenn die Wandstärke zu dünn ist, lt. Aussage des Glockengießers. Sorry! Geändert von chromofish (28.11.2010 um 23:00 Uhr) |
#12
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Ruder
Das Ruder von Farthing: ca. 1,60 m hoch, Ruderkopf 6 cm Stärke, 5-lagig. Blatt 3-lagig (4cm), sich verjüngend auf 2,5 cm (rechte Seite).
Innenlage aus Sperrholz AW100 10mm, beidseitig bezogen mit Kieferstäben 14mm, Ruderkopf auf beiden Wangen mit einer Lage Sperrholz beplankt. Alles mit Epoxy verklebt. Wird noch komplett weiß lackiert. Die Beschläge sitzen im oberen Bereich, wo das Sperrholz ist. Die Aussparung links lässt Platz für den Verbindungsbolzen. Werkzeuge: Handhobel, japanische Säge, Kreissäge. Geändert von chromofish (17.02.2013 um 09:53 Uhr)
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#13
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Rumpf und Deck: Material
Nach dem Abschluss des Modells konnte ich ziemlich gut abschätzen, wo Schwierigkeiten auftreten würden. So war es knifflig den Transom, den Kiel und den Steven entsprechend zu formen, so dass die Strips satt aufliegen.
Außerdem konnte ich mit einem Maßband die Maße abgreifen und so den Materialbedarf an Strips ermitteln. Strip-Planking: Rumpf und Deck werden komplett nach diesem Verfahren von Lindsay Lord, weiterentwickelt von MacNaughton, gebaut. Beide bestehen aus 14mm starken, quadratischen Leisten, die ohne Nut und Feder aneinander geklebt werden. Innen und außen wird mit Glasseidengewebe verstärkt, sodass es sich um eine Kompositbauweise handelt. Die quadratischen Leisten werden aus reinen Kostengründen genommen, natürlich kann man zum 2-3-fachen Preis auch WRC-strips nehmen. Innen gibt es keine Frames, sondern Schotts und Querverbände im Kielbereich sowie Einbauteile funktionieren als Aussteifung. Der Designer empfiehlt quadratische Strips, weil er davon ausgeht, dass man diese aus Brettern aufsägt. Die feine Maserung liegt dann an der Rumpfaußenseite (bei einem Quadratstab kann ich ihn ja drehen wie ich will) und lässt sich leichter schleifen. Während ich das Modell baute, suchte ich intensiv nach entsprechend Holzmaterial, alleine: Wo findet man astfreie Planken, die man aufsägen kann? Die ganze Holzwirtschaft stellt eigentlich nur minderwertiges Holz bereit, turbogetrocknet, zum falschen Zeitpunkt geschlagen etc. Obwohl ich in einer waldreichen Gegend wohne, habe ich kein Sägewerk gefunden. Auch Leisten in dieser Länge gibt es nicht. In einem Baumarkt fand ich schöne astfreie Leisten - Lieferant ermittelt und direkt bei diesem mein Material bestellt. Doch das hieß, 2,4 m lange Leisten mit 14 mm entsprechend auf mindestens 5,8 m zu schäften. Im Dezember 08 kam der Laster und lud die Palette mit 720Leisten (ca. 1,7km Länge, 180 kg) ab. Der Preis betrug weniger als die Hälfte des normalen VKP. Die Menge kalkulierte ich so: 10-15% Ausschuss, sowie 20% Verschnitt. Die Wintermonate 08/09 über richtete ich dann das Material. Ich glaube, es sind an die 400 Leisten für den Rumpf geschäftet worden mit je 2 Schäftungen ca. - könnte ich ja jetzt nachzählen - überschlägig sind es wohl so an die 600 Schäftungen (man braucht ja zum Kiel hin nicht mehr die langen Leisten). Für Preisinteressierte: 900.- E für die Leisten für Deck und Rumpf. In WRC vorkonfektioniert ca. 2000.-E. Eng gerechnet: Die WRC-Leisten sind 45 mm breit (also mal 3), das erspart 2 Klebefugen. Man würde damit also weniger Kleber verbrauchen und das Teil mindestens doppelt so schnell beplanken. Außerdem wären einige -nicht alle- Schäftungen entfallen. Nach heutigem Stand aber würde ich den Mehrpreis auf jeden Fall in Kauf nehmen. Aber ich glaube, ich brauchte einfach diese langsame Herangehensweise. Unten also ein paar Bilder zu meinem Leistenverlängerungsprojekt. Klar war: jede Leiste einzeln zu kleben, wäre langwierig. Also konstruierte ich mir eine Klebepresse (1). Die Leisten werden dort eingelegt, zusammengeschoben, dann kommt von oben ein Gegenstück. Dessen Zähne drücken auf die Schäftung und halten die Leisten fest. Zusammengeklappt sieht es aus wie ein Buch (hat auch ein Scharnier). Danach Schraubzwingen ran, fertig. Die Schäftungen wurden alle mit der Handsäge ausgeführt, dazu konstruierte ich eine spezielle Schäftungslade (2). In 2 1/2 Stunden konnte ich damit 12 Schäftungen incl. Sägen und Kleben durchführen. Geändert von chromofish (17.02.2013 um 09:53 Uhr)
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#14
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Loften
Nach dieser Schuf- äh - Schäfterei ging es ans Loften. (Feb-Juni09) Bei dieser Größe reichten mir Hartfaserplatten als Loftingboden aus. Die Maße aus der Lofting-Tabelle übertrug ich entsprechend in 1:1. Doch die Fehler, die bereits im Modell sichtbar waren, traten nun deutlicher heraus. Die Korrekturen waren ziemlich stark, so dass eine Änderung in einem Bereich gleich wieder Auswirkungen an einer anderen Stelle im Boot hatte.
Juni09-Mai10: Dennoch begann ich auf dieser Grundlage mit dem Bau der Mallspanten aus Pawlownia - einem sehr leichten Holz, da ich keine Lust hatte mit so großen Spanplatten zu hantieren und diese später entsorgen zu müssen. Ich dimensionierte die Rohspanten großzügig, so dass später Korrekturen vorgenommen werden konnten. Die Reinzeichnung eines einzelnen Spants machte ich auf Hartfaserplatten (je halbem Spant eine), so dass die fertige Zeichnung auf dem Rohspant ausgesägt werden konnte, anschließend wurde die Form gespiegelt aufgezeichnet und die 2. Seite gesägt. (Bilder 1-3, Bild 3 zeigt den Steven, der auf dem Tisch liegt, ist also vom Sommer diesen Jahres) Eigentlich war ich zuversichtlich den Sommer 09 mit dem Beplanken zu beginnen. Doch die nicht stimmenden Linien machten mich skeptisch, sodass ich die Arbeit stark verlangsamte, bis sie einige Zeit ruhte. Sommer/Herbst/Winter 09 erneutes Loften in FreeShip, Ausbügeln der Problemzonen. Das dauerte alles so seine Zeit. (Bild4) Ostern10: Besorgung eines Hängers und gleichzeitiger Materialtransport von Nord nach Süd (Sperrholz für den Innenausbau). Im Juni 10 waren dann alle Mallspanten gesägt. Großes Kopfzerbrechen machte mir der Transom und ist ein eigenes Kapitel wert(rund einlaufende Strips, starke Schmiegen; das forderte einige Versuche, Rechnungen usw. Wahrscheinlich geht es auch ganz einfach). Im Mai10 Beginn mit dem Mastbau. Im August10 Mast zurichten und Aufbau der Mallspanten auf der Helling. Bau des Stevens. Geändert von chromofish (17.02.2013 um 09:53 Uhr)
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#15
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Transom (Spiegel)
Aus Sapeli/Sipo.
Nicht lamelliert, sondern aus Teilstücken mit langeeeen Verbindungsflächen. Bild 2 zeigt die Situation im Nov.10 in meiner angemieteten Werkstatt. Geändert von chromofish (17.02.2013 um 09:53 Uhr)
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#16
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Der Mast
eines Dschunkenriggs ist unverstagt und steht im Allgemeinen auf dem Kiel. Das erfordert eine entsprechende Dimensionierung. An der stärksten Stelle 12 cm Durchmesser, am Top nur noch 8cm.
Lt. Designer kann man sich eine Fichte fällen und als Mast zurichten. Das entsprechende Gewicht soll positiv auf das Verhalten des Bootes im Seegang wirken (weichere Bewegungen). Zwar gibt es auch die Möglichkeit den Stamm aufzusägen , ihn auszuhöhlen (für Leitungen) und wieder zu verleimen, doch ich verspreche mir mehr Stabilität von einem zusammengesetzten Mast. Gebaut wurde er aus Vierkanthölzern 6x6, heimische Kiefer. Im Sägewerk, wo ich die Bohle ausgesucht habe, versprach man mir eine Fichte, doch nach dem Aufsägen stellte sich heraus, dass es Kiefer ist. Außerdem ein wenig astig, doch im Großen und Ganzen noch akzeptabel. Preislich hat sich das positiv niedergeschlagen. Schäften war wieder angesagt, denn die Stäbe hatten nur 5,50 m, Benötigt wurden 7m. Dann Zusammenleimen zu Masthälften, Kabelkanal einsägen etc. Geändert von chromofish (17.02.2013 um 09:52 Uhr)
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#17
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Der Mast II
Zusammenfügen zu einem 12cm starken Quadratbalken, Verjüngung im 45°Winkel entlang der Schiene sägen (Wo der Schnitt nicht tief genug ging, muste mit der Handsäge vollendet werden, also jeweils ab der Hälfte ).
Danach zum Achteck vollenden (Hobel), 16-Eck und runden. Gewogen und zu schwer befunden: von 32 kg nochmal 9kg abgehobelt (Handhobel, manuell), denn der Mast sah zu massiv aus, jetzt ist er schlank und wird noch mit Glasfaser verstärkt. Was aussieht wie eine gestreifte Zucchini ist die Vorstufe zum 16-Eck. Man sieht durch die weggehobelte Farbe besser, ob es reicht oder schon zuviel war. Irgendwann habe ich mir mal einen E-Hobel gewünscht, aber die Teile nehmen m. E. zu schnell zuviel weg (hatte mal einen). Besonders schlimm war es, auf die fertige Rundung zu arbeiten (so schön gerade war alles gewesen und dann noch mal 2cm im Durchmesser an der breitesten Stelle weg. Geändert von chromofish (17.02.2013 um 09:52 Uhr)
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#18
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Der Steven
ist aus 1cm starken Sipo/Sapeli-Leisten und Eicheleisten zusammengesetzt. Verleimung Sipo/Sapeli mit Epoxy, Verbindung mit Eiche und Eiche untereinander mit Aerodux 185 (Lieferant: Georgus.de).
Maße: Länge ca 260cm, Breite 6cm, Höhe 6cm Abnahme der Maße aus Freeship und Übertragung ins Original (Alulatte, Winkel, Anzeichnen der Höhe von der Unterkante Kiel aus gemessen an "virtuellen" Spanten). Anfertigung der Form zum Einpressen aus Spanplatte. Seitliche Abstandshalter, damit die Leisten nicht aus der Form rutschen können und exakt Kante an Kante liegen. Trotz Dämpfens federt nach der 6. Lage das Bauteil um 0,5 cm zurück, muss dann bei der Montage entsprechend in Form gezogen werden (Spanndraht). Bild1: Belastungsprobe Mast Bild2: Steven anreißen. Bild3: Einpassen, Kleben Bild5: Rückfederung Geändert von chromofish (17.02.2013 um 09:52 Uhr)
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#19
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Hallo Bert,
ich hatte für den vorderen Decksbalken (Länge etwa 1.3m Durchbiegung etwa 70mm) die Schablone schon um 15mm höher gemacht. Trotzdem fehlten mir zum Schluss 5mm. Das federt ganz schön zurück. Beim dämpfen von Sipo habe ich die Erfahrung gemacht dass ich mir die Arbeit auch hätte sparen können. Hat irgendwie nicht funktioniert. Vielleicht hätte es nach länderem lagern in Wasser besser geklappt aber dann hätte ich wieder lange trocknen müssen.
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Gruß Holger Meine Baustelle DE23. "Wie sprechen Menschen mit Menschen? Aneinander vorbei!" (Kurt Tucholsky) |
#20
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Hallo Holger,
die gleiche Erfahrung mit Dämpfen (3 Std.)von Sipo / Sapeli (ich hab doch echt vergessen, wie das Holz heißt) habe ich auch gemacht, nur die Eiche hat gut die Form behalten. Ich habe mit dem Heißluftfön nachgeholfen, Eiche biegen klappt auch auf diese Weise wirklich gut und sie unterstützt nun wohl stark die Formsteifigkeit des Bauteils. Die Durchbiegung beträgt ca. 400mm bei mir, und erst nach der 6.Lamelle war der Rücksprung nur noch 5mm, vorher war es mehr. Vielleicht sollte ich noch was zu der Holzmixtur sagen: Bekanntermaßen vertragen sich Epoxy und Eiche nicht. Ich habe jedoch einiges an Eicheleisten gehabt, die ich im Boot verarbeiten wollte, es ist ja auch ein anerkanntes Bootsbaumaterial, wenn es mit Resorcinharz verklebt wird. So wird auch der Kiel aus Eiche sein, dort werden die Strips aber untereinander und mit dem Kiel mit Aerodux verklebt. Aufgrund der Form des Kiels kann ich auch mit genügend Anpressdruck arbeiten. Weil die Strips am Bug befestigt, und untereinander über die Länge des Rumpfes mit Epoxy verklebt werden, kann ich sie nicht im gleichen Arbeitsgang am Eichesteven mit Resorcin ankleben. Deshalb im Außenbereich das Mahagony (Sipo / Sapeli), das als Auflagefläche für die Epoxyverklebung dient. Die Eiche werde ich stark aufrauhen und mit Aceton die Gerbsäure entziehen, um eine gute Haftung auch mit Epoxy zu erzielen. Beim nächsten Boot in dieser Bauweise würde ich auf Eiche verzichten und nur mit einem Klebersystem (Epoxy) arbeiten wollen. |
#21
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Das Thema hatte ich auch schon mal. Schau doch mal hier:
http://www.boote-forum.de/showthread...ht=eiche+epoxy Ich dachte auch daß das nicht geht.
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Gruß Holger Meine Baustelle DE23. "Wie sprechen Menschen mit Menschen? Aneinander vorbei!" (Kurt Tucholsky) |
#22
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... geil ...
Gottes schönste Gabe ist eben doch der Schwabe
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Gruß Tobi screwed, blued & tattooed |
#23
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Reim dich, oder ich fress dich.
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''Freedom is just an other word for nothing left to loose'' Kölle Alaaf - Robert "Keine Frau ist so schön wie die Freiheit und kein Mann ist so schön wie sein Geld ... .. und die See ist die Chance der Matrosen, auf der See fahren sie rund um die Welt" Shanty |
#24
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Dabei hadelt es sich erwiesenermaßen um eine Tatsache die sich aus purem Zufall reimt
Mal im ernst, gefällt mir wirklich gut. Bei Threads wie diesem (und natürlich auch deinem Robert) bekomme ich wirklich Lust zum segeln obwohl ich damit eigentlich gar nichts am Hut habe!
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Gruß Tobi screwed, blued & tattooed Geändert von stulle (05.12.2010 um 19:20 Uhr)
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#25
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The backbone!!!
OK, würde mich zwar nicht als Schwaben bezeichnen, aber mit dem Rest stimme ich überein.
Backbone - Rückgrat von Farthing: Besteht aus dem Steven, dem Kiel, dem Transom (traditionell). Verbunden werden die drei Teile mit Knieen. Den Transom kennt ihr ja schon. Den Kiel habe ich aus drei mit einander verleimten Eichenbrettern gebaut (wegen der differenzierten Wölbung, jedes Brett bekam sein eigenes Profil)(1-3). Bild 1 zeigt neben den drei zu lamelliernenden Kielbrettern das Anschluss-Knie (roh) zum Steven. Anschließend wurde die genaue Steigung zum Steven gesägt (4). Natürlich ein Probeshooting im Wohnzimmer mit Steven und Verbindungsknie (5) Geändert von chromofish (17.02.2013 um 09:52 Uhr) |
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