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1. Mai auf Juist
Greetsiel - Juist, Donnerstag, den 30.04.09
Am Donnerstag vor dem 1. Mai sollte es losgehen: Wir wollten auf Juist in den ersten Mai hineinfeiern. Hochwasser Norderney (unser Bezugspunkt) sollte um 15:50 Uhr sein. Als wir um 12:45 Uhr nach getaner Arbeit vom Steg loskamen hatten wir also noch gut 3,5h Auflaufend. Um 13:30 Uhr passierten wir die Schleuse Leyhörn, die uns wie fast immer bereits mit offenen Toren erwartete. Gegen 13:45 Uhr gingen wir ins Leyfahrwasser, da das bei dem Wind aus NNE besser anlag, als die Bantsbalje. Das Leyfahrwasser wird zwar immer schmaler und flacher, und sicherlich wird es in absehbarer Zeit aufgegeben werden müssen (noch eine Auswirkung der Emsvertiefungen und -beschleunigungen), aber noch kommen wir durch. Unter Fock und Groß machen wir gute Fahrt und erreichen bald die Osterems. Von nun an hieß es aufkreuzen gegen Wind und Strom! Mühsame Sache, insbesondere mit der Zeit im Nacken. Nach 14sm FdW, denen aber nur 7sm FüG gegenüber standen, beschlossen wir um 17:00 Uhr querab nördliches Ende Kopersand den Jokel dazu zu nehmen, um uns noch rechtzeitig über das Wattenhoch des Nordlandfahrwassers zu schieben. Außerdem zog ziemlich dichter Seenebel auf und wir wollten nur ungern die Nacht draußen im Seenebel verbringen. Das hätte bedeutet, in einem der Priele südlich von Nordland oder südlich vom Mittelsand ankern zu müssen. Wir taten also das, was man eigentlich nicht tun sollte. Wir setzten die Fahrt bei Nebel fort und liefen bei inzwischen ablaufend Wasser auf ein Wattenhoch zu. Nordland kennen wir gut, deswegen gingen wir diese Risiken ein. Fähren und Fischer nutzen das Fahrwasser kaum noch - erst recht nicht bei diesem Wasserstand. Wir tasteten uns ganz vorsichtig von Pricke zu Pricke vor, denn viel weiter konnte man mittlerweile nicht mehr gucken. Wir waren Luftlinie keine 1,5sm von Hafenmole und Hafen entfernt, aber wir konnten dennoch nichts sehen. Die Insel selbst war weniger als eine Meile entfernt. Es war trotzdem nichts zu sehen und nichts zu hören. Der Seenebel war extrem kalt. Schlagartig kühlte sich die Luft um 7-8 Grad ab. Dadurch zog die Nebelbank immer mehr Wasser in die Luft. Man konnte ihr beim dicker werden quasi zuschauen. Die Bank kam offensichtlich direkt aus Schottland und hatte auf ihrem Weg über die freie Nordsee jede Menge "kalte Energie" getankt, die sich jetzt, über dem relativ warmen Wattenmeer in Form von Wasserdampf wieder entlud. An der flachsten Stelle des Fahrwassers hatten wir noch 30cm Wasser unterm Kiel - es passte also. Innerlich hatten wir uns schon fast darauf eingestellt, auf Nordland mit ziemlicher Schräglage trockenzufallen und waren nun froh, dass uns das erspart blieb. Wir tasteten uns weiter, verpassten eine Pricke und damit den Übergang von Nordland in die Juister Balje. Als meine Frau sagte, sie hätte in einer Nebellücke den Hafen auf ENE gesehen, wollte ich das nicht glauben - ich wähnte uns ja noch auf Nordland. Ein Blick auf den Kompass sagte aber, wir müssten schon in der Balje sein. Meine Frau hatte also Recht. Wir liefen in den Juister Hafen und von dort gleich in den Yachthafen ein. Gerechnet hatten wir eigentlich mit einem überfüllten Hafen. Doch die meisten Stege waren so gut wie leer. Wir hatten also fast die freie Wahl. "Fast" weil das Echolot bereits an den äußeren Plätzen nur noch 10-20cm Wasser unterm Kiel zeigte. Kiel und Ruderblatt zogen bereits merklich durch die obersten weichen Schlickschichten. Wir suchten also nicht mehr großartig rum, sondern machten an der erstbesten Gelegenheit fest. Keine 30 Minuten später rührte Medea sich auch schon nicht mehr. Der Seenebel hatte sich genauso schnell verzogen, wie er gekommen war (siehe oben). Frisches Wasser holen, Kocher anschmeißen und Tee aufsetzen war fast eins. Den brauchten wir auch, verfroren wie wir waren. Unser Primärziel, klauen des Maibaumes, mussten wir wegen zu guter Bewachung aufgeben. Ohne Beute suchten wir Trost in der Spelunke und fanden sie in Form der viel zu aufopferungsvollen Bewirtung durch das Thekenpersonal. So begann der nächste Tag recht spät. Wir hätten doch die Finger von diesem süddeutschen Bier - das entweder aus der letzten Kümo-Kaperung stammte oder angespült wurde und nun unglaublich billig in der Hafenspelunke verramscht wurde - lassen sollen. Nun hatten wir Katzen an Bord, die einen unglaublichen Lärm machten. Selbst schuld! Gegen Mittag muss es gewesen sein, als Wolfgang (Southerly100) rüber kam. Er lag mit seiner Southerly und Familie einen Steg weiter. Wir plauschten nett über eine Stunde lang über alles Mögliche. Er wollte eventuell noch mit dem Nachmittagshochwasser unterhalb der Bill vor Anker gehen. Wir überlegten kurz in ähnliche Richtungen, beschlossen dann aber, vor dem Katzengejammer an Land zu fliehen. So machten wir Nachmittags dem Pabst in den Dünen unsere Aufwartung. Wir entrichteten unseren Ablass, gelobten Besserung und wurden mit Oblaten in Form von Schoko- und Käsekuchen nebst Milchkaffee von unseren Sünden des Vorabends freigesprochen. Zurück an Bord genossen wir unser Abendessen. Der Hafen hatte sich in der Zwischenzeit gut gefüllt. Freie Plätze waren kaum noch vorhanden und das Hafenkino nahm während unseres Essens seinen Lauf. Am Abend taten wir dann noch etwas für unsere kulturelle Bildung und lauschten einem Konzert mit guten Musikern, die ohne ihre Sängerin allerdings noch besser gewesen wären. In der Spelunke nahmen wir - geläutert durch den Pabst - nur einen einzigen Absacker. Der Thekenmann hielt es erst für einen Scherz, dann staunte er ungläubig, aber wir blieben hart. Selbst das weinerliche Flehen, mit dem er den Lebensunterhalt seiner drei Frauen und sechs Kinder beschwor, erregte in uns kein Mitleid und wir gingen zurück an Bord. Juist - Greetsiel, Samstag, den 02.05.09 Am nächsten Morgen waren die Katzen verschwunden. So ein wenig Religiösität schadet offenbar nicht. Wir holten die aktuellen Wetterberichte ein. Das sah für Sonntag gar nicht gut aus. Der Wind sollte bis auf 5 zulegen und kräftige Regenfälle mit sich bringen. Der Hafenmeister - übrigens neu in dieser Saison, ausgesprochen nett, zuvorkommend und richtig flink - bestätigte, dass da was von England rüber käme. Langsam zwar, aber unaufhörlich. Wir beschlossen daher, das Hochwasser um 17:50 Uhr zu nutzen, um nach Greetsiel zurück zu segeln. Gegen 15 Uhr wollten wir einen ersten Anlauf wagen. Kaum hatten wir das überlegt und das Frühstück beendet, verwandelte sich der bis dahin strahlend blaue Himmel innerhalb von 20 Minuten in eine dunkelgraue Waschküche. Der Wind legte zu und Nebelfetzen zogen vorbei. Wir beschlossen das erstmal zu ignorieren und abzuwarten. Gegen Mittag riss der Himmel wieder auf und die Sicht wurde besser. Allerdings heulte der Wind in den Wanten irgendeines Hafenliegers derart, dass ich mir unseren Windmesser schnappte und auf die Mole kletterte. WNW mit 3,5, in Böen 4,5 - warum allerdings die Wanten einiger größerer Pötte heulten, als würde mindestens ein 6er durchgehen, konnte ich nicht ergründen. Gegen 14:30 Uhr war dank des NW bereits genug Wasser im Hafen, um einen Anlauf wagen zu können. Wir legten mit einem Bensersieler gemeinsam ab und lieferten uns nahe der Einfahrt ein kurzes, aber spannendes Kiel-durch-den-Schlick-zieh-Rennen, welches wir knapp gewannen. In der Hafenzufahrt hatten wir vor uns eine Fähre, die immer wieder festkam. Sie wirbelte soviel Schlick hoch, das jede Lotung unmöglich wurde. Die Fähre bog mit dem Bensersieler Richtung Norddeich ab, wir gingen mit einem Anderen im Schlepp in die Juister Balje. Dort zogen wir an der Wappen von Juist vorbei, die zur Touri-Belustigung kurrend gegen den Strom lief.. Wir erreichten das Nordlandfahrwasser, setzten Groß und Fock und gönnten unserem Jockel eine sehr lange Pause. Der andere Segler ging ebenfalls ins Nordlandfahrwasser und kam nur mit Genua immer näher. Als er am Ende vorbeizog sahen wir warum: der Diesel lief mit. Dafür lief unser Strohballen also gar nicht mal schlecht. Am Ende des Prickenwegs, noch vor den Tonnen, setzen wir Kurs 175 Grad, ignorierten jede weitere Tonne und liefen so mit 2kn Stromversatz nach Südosten quer über den Kopersand direkt in die Bantsbalje. Teilweise wurde es recht flach, aber wir hatten auflaufend Wasser - was sollte also passieren? Wir verdrückten die restlichen Brötchen vom Frühstück, Tee und Kuchen, während wir raumschots dahin zogen. Die Anderen hielten sich an die Fahrwasser und zogen mit Radien von bis zu 3sm um uns herum - fast so, als hätten wir die Quarantäneflagge gesetzt. Wie beabsichtigt landeten wir vom Kopersand kommend direkt in der Bantsbalje. Die Bantsbalje wird im Gegensatz zum Leyfahrwasser immer breiter und tiefer. Tiefen von 15 Metern haben wir stellenweise gelotet. Wir änderten den Kurs auf 95 Grad, bargen Groß und Fock und setzen unsere große LW-Genua. Vor dem Wind zogen wir weiter Richtung Greetsieler Leegde. Auch die Leegde hat Wasser satt. Erst kurz vor dem Messdalben, also unmittelbar vor dem Schleusenkanal, mussten wir das Vorsegel bergen. Aus der Schleuse raus kam gerade Fietje von Borkum. Und so erwartete uns die Schleuse um 18 Uhr mal wieder mit offenen Toren. Die Schleusungen in Greetsiel sind einfach nur Klasse! Egal, ob da nur ein kleines Segelboot ankommt oder drei Kutter und ein Pulk von 10 Booten: Geschleust wird in dem vorgesehen Zeitfenster von 4h vor bis 3h nach Hochwasser immer - komme, was da wolle! Das ist nach meinem Eindruck in Deutschland eine wenigen, löblichen Ausnahmen! Den Jokel haben wir nur gebraucht, um in die Schleuse rein und aus ihr wieder rauszukommen. Direkt hinter der Schleuse ging die LW-Genua wieder hoch und zog uns inzwischen ganz sachte quer durchs Naturschutzgebiet und vorbei am Greetsieler Drachenfest bis zum 4 Meilen entfernten Hafen. Gegen 19 Uhr machten wir wieder fest und konnten weitere 40sm ins Logbuch eintragen.
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