boote-forum.de - Das Forum rund um Boote  

Zurück   boote-forum.de - Das Forum rund um Boote > Alles was schwimmt! > Allgemeines zum Boot



Allgemeines zum Boot Fragen, Antworten & Diskussionen. Diskussionsforum rund ums Boot. Motor und Segel!

Antwort
 
Themen-Optionen
  #1  
Alt 27.05.2010, 21:05
Hesti Hesti ist offline
Vice Admiral
 
Registriert seit: 21.04.2010
Ort: Niedersachsen
Beiträge: 1.837
Boot: 29 Fuss Segelboot
1.230 Danke in 781 Beiträgen
Standard Das perfekte Segelboot

... für jedes Revier und jeden Eigner gibt es nicht. Aber es gibt Überlegungen, die zu einer guten Wahl führen.




Hallo Zusammen


im folgenden mein Pflichtbeitrag als Neuer in diesem Forum. In der Vergangenheit haben meine Frau und ich mehrfach vor der Frage gestanden, welches Boot für uns in dem Revier, in dem wir jeweils segeln wollten und für die Art von Touren, die wir durchführen wollten, jeweils das Richtige war. Inzwischen habe ich mir auch etwas Theorie zu dem Thema angelesen, die eigenen Überlegungen und einen Teil der Theorie möchte ich hier teilen (und natürlich zur Diskussion stellen).




Im wesentlichen wird einer gute Wahl von Revier, Anzahl der Mitsegler, vorgesehener Turndauer und Vorlieben des Eigners bestimmt.


Das Revier beeinflußt die Wahl im wesentlichen durch Tiefe, Tiede, Wind, Wellen, Verfügbarkeit von Häfen und in extremen Regionen natürlich darüberhinaus durch die Temperatur – Eisverträglichkeit, ... .


Bleiben wir in unseren Regionen – ein Gewässer wie die Ostsee mit wenig Tiedenhub eignet sich recht gut für Boote mit festem Kiel, der maximale Tiefgang wird im wesentlichen durch die Häfen bestimmt, die man anlaufen können möchte. In sehr flachen Gewässern wie den Boddengewässern machen flachbödie Boote mit variablem Tiefgang, vor allem Schwertboote, bei denen sich das Schwert beim Auflaufen von selber hochdrückt, sehr viel Sinn.


Abgesehen von den Problemen mit Häfen und Untiefen ist Tiefgang zum Segeln eine wünschenswerte Eigenschaft – mehr Tiefgang bedeutet in der Regel, daß - gerade bei Seegang - das Boot weniger stark nach Lee driftet.


In Tiedengewässern stellen sich zusätzliche Fragen – wie wahrscheinlich ist es, daß ich mal eine Ebbe lang trockenfalle (gewollt oder ungewollt) und welche Eigenschaften braucht ein Boot in den Häfen in dem Revier. Zum Trockenfallen eignen sich neben dafür gebauten Doppel- oder Dreifachkielern vor allem recht flachbödige Boote mit Schwert oder Hubkiel. Im Hafen bestimmt der Hafengrund von trockenfallenden Häfen, welche Boote dort zurecht kommen – Langkieler können häufig gut am Kai festmachen und dort dann sicher liegen, Boote mit schmalen aber tiefen Festkielen kommen in Häfen, die trockenfallen, in der Regel nicht gut zurecht, es sei denn der Hafengrund besteht aus sehr lockerem Schlick, in den sich der Kiel hineingraben kann. Dafür gebaute Doppel- oder Dreifachkieler und auch Schwertboote fallen in leerlaufenden Häfen einfach dort trocken, wo sie gerade liegen. Auch Boote, die für das Trockenfallen gebaut sind, werden bei Grundberührung bei stärkerem Seegang kaputt geschlagen werden – Trockenfallen kommt grundsätzlich nur an geschützten Stellen bei sehr niedriger Wellenhöhe in Frage.


Viel Wind an sich ist für die meisten Segelboote zunächst anscheinend kein Problem – wenn sich die Segelfläche durch Reffen reduzieren läßt oder Sturmsegel angeschlagen werden können, sollte sich auch am Wind die Kränkung in Grenzen halten lassen. Nachteilig wirken sich bei starkem Wind vor allem auf am Wind Kurs aber voluminöse und hohe Überwasserschiffe aus – das Verhältnis von Windwiederstand des Überwasserschiffes zu Vortriebskraft des reduzierten Segelplanes wird immer ungünstiger, je weiter der Segelplan reduziert wird, so das Boote mit voluminösem Überwasserschiff bei starkem Wind Schwierigkeiten haben, gegen den Wind anzukreuzen. Die Abdrift wird bei solchen Booten tendenziell auch recht hoch. Dies gilt häufig besonders, wenn es sich um leichte Boote und Boote mit stark beschnittenem Lateralplan handelt. Man mag die Ansicht vertreten, das dies heute bei den modernen zuverlässigen Motoren nicht mehr die Rolle spielt, die es früher spielte, dies gilt aber nur, wenn Motor und Tank immer perfekt gewartet sind – da starker Wind in der Regel mit Seegang einhergeht, der in den Tanks Bodenablagerungen aufwirbelt, die dann gerne die Filter verstopfen, machen schlecht gewartete Maschinenanlagen gerade dann, wenn man sie wirklich braucht, gerne Kummer. Es spricht also einiges dafür, mit Booten, die voluminöse Überwasserschiffe haben, bei Starkwindwarnung im Hafen zu bleiben oder einen Hafen aufzusuchen, vor allem, wenn die vorhergesagte Windrichtung einen auf Legerwall bringen könnte. Womit wir schon bei der nächsten Überlegung sind – Boote mit voluminösem Überwasserschiff sind ja konzipiert, um möglichst viel Platz / Komfort auf kleinem Raum bieten zu können. In der Regel sind solche Boote auch recht trocken zu segeln, es handelt sich also um Boote, bei denen der Komfort bei der Konzeption hohe Priorität hatte. Wiklich zu empfehlen sind diese Boote aber nur in Revieren, wo es genügend Häfen gibt, um bei Starkwindwarnung in einem Hafen Schutz suchen zu können, bevor es wirklich anfängt zu wehen – vor einer Steilküste, an der die Häfen möglicherweise eine Tagestour oder mehr auseinanderliegen, wünscht man sich doch eher ein Boot, das sich unter Segel auch bei sehr starkem Wind noch freikreuzen kann – und nimmt dafür dann auch in Kauf, das man unter Deck vielleicht nicht aufrecht stehen kann. Man muß häufig genau hinschauen, um die Größe des Überwasserschiffes gut abschätzen zu können – breite Farbstreifen lassen hohe Bordwände oder hohe Aufbauten niedriger aussehen, als sie wirklich sind.


Revierabhängig kann man auch Boote mit zu kleiner Segelfläche aussuchen – gerade für die See konzipierte Boote sind auf Binnengewässern häufig lahme Enten. Eine Kennzahl, die einen Hinweis auf die in einem Revier angemessene Segelfläche gibt, ist das Verhältnis aus (Segelfläche (in qm)) dividiert durch (Verdrängung (in cbm) hoch (2/3)). Die meisten Bootsbesitzer in einem Revier werden einem in der Regel gerne verraten, was Ihr Boot (mit Crew und Ausrüstung) wiegt und wieviel Segelfläche sie am Wind meistens setzen – daraus läßt sich dann jeweils die genannte Kennzahl berechnen. Wenn man die von ein paar Booten im betroffenen Revier kennt (und dann vielleicht noch weiß, wer dort gut zurechtkommt und wer als lahme Ente gilt), hilft dies ein wenig, elementare Fehler bei der Bootswahl zu vermeiden.


Starker Wind bringt in der Regel Seegang mit sich – zumindest, wenn man nicht gerade unter Schutz von Land eine Küste entlangsegelt. Besonders starker Seegang bildet sich in der Regel aus, wo eine stärkere Strömung geht oder in flachen Gewässern oder bei abnehmender Tiefe. Während der Wind an sich ein Boot mit mehr als 90 Grad positiver Stabilität bestenfalls flach aufs Wasser drücken kann, kann Seegang, können vor allem Brecher, ein Boot durchkentern. Ein Boot, das durch den Winddruck an sich schon viel Lage fährt, läßt sich unter Umständen schon durch recht kleine Brecher kentern.Um es mal so zu sagen – ein Boot, das weniger als 90 Grad positive Stabilität hat, sollte nur gesegelt werden, wenn man sehr sicher ist, sich im Falle einer Kenterung selber retten zu können – entweder durch Wiederaufrichten des Bootes (das sollte man bei gutem Wetter in Ufernähe ruhig mal üben, das geht noch nicht einmal bei allen Jollen gut ...) oder dadurch, das man sich sicher an ein nahes flaches Ufer retten kann. - oder wenn die Wetterbedingungen (Wind und Seegang) das Boot ganz sicher nicht zum Kentern bringen können. Wenn dies nicht sichergestellt ist – sollte das Boot einenen Stabilitätsumfang von deutlich mehr als 90 Grad haben. Allerdings – sollte dies bei Schwertbooten oder Hubkielern, bei denen das Schwert oder der Hubkiel von selber im umgedrehten Zustand im jeweiligen Kasten verschwinden kann, mit jeweils aufgeholtem Schwert / Kiel gelten. Ein weiterer Blick gilt der Stabilität im umgedrehten Zustand im Verhältnis zur Stabilität im aufrechten Zustand – wenn das erforderliche Moment zum Wiederaufrichten ähnlich hoch ist, wie das Moment, um das Boot zu kentern, wird das Boot, einmal gekentert, sehr wahrscheinlich gekentert bleiben. Konstruktiv gibt es vor allem zwei Maßnahmen gegen diesen Effekt – viel Ballast unten am Kiel oder ein hohes Überwasserschiff mit hohen gerundeten oder nach innen versetzten Aufbauten. Das hohe Überwasserschiff mit den hohen Aufbauten verursacht aber wiederum Schwierigkeiten mit dem Aufkreuzen bei starkem Wind. Viel Ballast unten am Kiel macht das Boot schwerer und tendenziell langsamer und wohl auch teurer als leichtere Boote – ist aber bei schwerem Wetter in der Regel sehr willkommen, auch weil ein schwereres (und idealerweise schlankes) Boot sich bei Seegang in der Regel angenehmer verhält als ein leichtes (insbesondere dabei breites) Boot.


So weit so gut. Wie groß aber muß das Boot sein? Dies ist vor allem eine Frage der vorgesehenen Besatzungsgröße und der Dauer von geplanten Turns. Einfach so groß wie möglich ist keine Lösung, zu zweit auf einem 37 oder 40 Fuß Boot wird das Anlegen im Hafen schon interessant, vor allem bei Wind, man bräuchte dann eigentlich eine Person auf dem Vordeck, eine Person hinten und eine Person am Ruder. Auch passen solch große Boote bei weitem nicht in allen Häfen an alle Liegeplätze – mit einem 37 Fußer in Dänemark zwischen zwei Pfählen stecken zu bleiben entlockt Zuschauern häufig mehr als nur ein Lächeln ... Andererseits sollte ein Boot in der Regel für jedes Besatzungsmitglied bei mehrtägigen Turns eine Koje und Platz für das Gepäck bieten – viele Boote, auf denen z.B. angeblich 6 Personen schlafen können, verwandeln sich voll belegt Nachts in Stolperhöhlen, weil überall Reisetaschen und Rucksäcke auf den Fußböden liegen, für die anderswo kein Platz ist. Wenn einem das Spaß macht – geht das zur Not ein paar Tage, aber nicht auf Dauer. Spätestens, wenn Nachts auf am Boden schlafenden Crewmitgliedern herumgetrampelt wird, hört der Spaß aber auf. Die Größe stimmt eigentlich dann, wenn sich das Boot noch mit der minimal anzunehmenden Besatzungsgröße gut beherschen läßt und die maximal anzunehmende Besatzungsgröße samt Gepäck und Vorräten gut unterbringen kann.


Wie schwer sollte das Boot sein? Auch hier geht es vor allem um Crewgröße und Turndauer, das Thema ist in “The Nature of Boats” von Dave Gerr gut dargestellt. Für Monohulls wird dort ein Anteil von ca. 8 % für Crew und Vorräte am Gesamtgewicht bei 60 % der Zuladung angegeben. Grob geschätzt kann man mit 75 kg / Person für die Besatzung rechnen, 6,5 kg / Person und Tag für Essen und Trinken (zuzüglich 50 % Sicherheit) und rund 2,5 kg pro Person und Tag für Kleidung (bis max. 55 kg).


Ein geplanter non stop turn mit 4 Personen und geplanter Turndauer von 10 Tagen würde also mit


75 x 4 = 300 kg Besatzungsgewicht
6,5 x 10 x 4 x 1,5 = 390 kg Vorräte
2,5 x 10 x 4 = 100 kg Kleidun und persönliche Ausrüstung


also ca. 790 kg für Besatzung, Vorräte und Kleidung rechnen.


Hiervon 60 % sind rund 475 kg, die wiederum rund 8 % des anzupeilenden Bootsgewichtes sein sollten.


Das anzupeilende Bootsgewicht liegt also bei rund 6 Tonnen ...




Während es für die Ausrüstung sinnvolle Empfehlungen, z.B. des DSV, gibt, sind andere Punkte rein der Vorliebe des Eigners unterworfen. Dies gilt häufig, aber nicht nur, auch für das Material, aus dem das Boot ist – dort, wo Grundberührung gerade bei felsigem / steinigem Grund wahrscheinlich ist, ist ein Metallrumpf eine gute Wahl, er beult und knittert noch, wo GFK oder Holz möglicherweise schon brechen. Für Holz spricht, das mit handwerklichem Geschick sehr viele Reparaturen selber gemacht werden können, auch ein gebrochener Holzmast läßt sich mit modernen Klebstoffen und dem Einsetzen von neuen Teilen wieder perfekt reparieren, wo ein Al Mast ausgetauscht werden müßte. Auch ist zumindest klar lackiertes Holz ein sehr ehrliches Material – der Zustand eines klar lackierten Holzteiles läßt sich häufig gut abschätzen, während es gerade bei GFK Booten vorkommen kann, das alles auf den ersten Blick noch perfekt aussieht, aber halt nicht mehr ist (Delaminierungen, gelöste Verklebungen, aufgelöste Verstärkungen, Osmose), ... . Der Nachteil von Holz (und Stahl ...) soll auch nicht verschwiegen werden – das regelmäßige Pflegen kostet viel Zeit (oder Geld), GFK Boote sind hier lange genügsamer.




Soweit, so gut. Eine exakte Wissenschaft ist das Ganze nicht, Fehler in den obigen Ausführungen sind möglich, sogar wahrscheinlich, jeder Skipper treffe seine eigenen Entscheidungen im vollen Bewußtsein seiner Verantwortung für Boot und Besatzung.

Geändert von Hesti (27.05.2010 um 21:34 Uhr)
Mit Zitat antworten top
Folgender Benutzer bedankt sich für diesen Beitrag:
Antwort



Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 09:52 Uhr.


Powered by vBulletin® Version 3.8.11 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.