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Alt 29.12.2003, 13:56
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Standard Von Münster über Rhein, Main und Donau zum Schwarzen Meer.

Am 30. April 2000 stürzten sich meine Freundin und ich in das Abenteuer der „Euro-Tour 2000“ und starteten im Stadthafen von Münster. Die Reise führte uns über die Kanäle nach Duisburg und dann den Rhein stromaufwärts bis zum Main. Für meinen Langkieler war dies ein sehr schwieriges, aber landschaftlich traumhaftes Gebiet. Der Verkehr glich einer Fahrt auf der Autobahn. Wohin man auch blickt, nur Frachter und Fahrgastschiffe, die in den seltensten Fällen Rücksicht auf uns nahmen. Im Gebirgsstück zwischen der Loreley und Bingen erreichten wir bei einer Gegenströmung von mehr als 15 Km/h gerade mal 3 km/h über Grund. Dies war zwar sehr anstrengend, jedoch konnten wir so auch lange Zeit diese wunderbare Gegend genießen.
Würden die 50 Schleusen des Mains und des Main-Donau-Kanals nicht existieren, wäre dies eine wundervolle Fahrt ohne längere Wartezeiten. Städte wie Frankfurt oder Bamberg laden zum Verweilen ein.

Die Donau

An der Donau angelangt, war ich etwas enttäuscht, da ich mir einen richtig breiten Strom vorstellte, der Fluß aber ziemlich schmal vor uns liegt. Ebenso bin ich von der ersten Marina an der Donau ziemlich enttäuscht, da der Liege- als auch der Dieselpreis unverschämt hoch war und die Marina unatraktiv zwischen Autobahn und trostloser Gegend eingebettet liegt. Da tröstete uns auch das überkomplette Angebot des Hafens wenig.
Bei Gaishofen führten wir endlich unser erstes Ankermanöver am Kilometer 2237,5 LU durch. In den Kanälen ist es verboten, am Rhein zu gefährlich und die letzten Tage auf der Donau hatten wir keine Möglichkeit dafür.
Hier hat die Donau zwar keinen ausgewiesenen Ankerplatz, aber es gibt eine kleine Einbuchtung, so daß man der Berufsschiffahrt nicht im Wege liegt. An Land befindet sich ein Poller, an dem die Landleine belegt werden kann. Ein wunderbar ruhiger und idyllischer Ort zum Ankern. Versorgung gibt es im nahegelegenen Ort. Fünfhundert Meter vom Ankerplatz flußaufwärts die „Fischerstuben“. Es ist in der Region sehr bekannt.
Ein absoluter Höhepunkt ist das Flusstück zwischen Dornach (Donau km 2084), über Struden (Donau km 2076), St.Nikola (Donau km 2074) und Sarmingstein (Donau km 2072). Hier befindet sich ein Engstück mit teils gefährlichen Stromgeschwindigkeiten.
Bei Dornach hielten wir uns am rechten Flußufer. Aus der Einmündung Altaubach, die sehr schlecht einzusehen ist, kam plötzlich ein Fahrgastschiff rückwärts heraus, um dann stromaufwärts zu fahren. Somit mußten wir nach Backbord ausweichen, doch auch hier bekamen wir Gegenverkehr von einem Fahrgastschiff. Also zwischen den beiden Bergfahrern durch, um danach wieder am rechten Flußufer weiter zu steuern.
Doch hier in dieser Außenkurve begannen auch die Stromschnellen. Die Goldfisch tanzte wie verrückt von einer Welle zur Anderen. Wir erreichten ein Höllentempo und der Klüver kam pausenlos unter die Wasseroberfläche. Tonnenweise ergoß sich Wasser über das Schiff. Da wir bergab steuerten und kein Verkehr in Sicht kam, war es bis zu einem gewissen Grad eigentlich sehr lustig. Doch irgendwann muß jeder Spaß aufhören um nicht gefährlich zu werden. Also weg von der Strömung und in die Innenkurve. Hier war die Strömung zwar auch noch sehr stark, aber ohne Stromschnellen.
Landschaftlich ein Traum. Die Donau schlängelt sich hier zwischen den hohen Bergen durch. Bei km 2077 bis km 2076 teilt sich die Donau in den Strudenkanal und den Hößgang. Wobei wir als Talfahrer durch den Hößgang steuern mußten. Die Ansteuerung war etwas schwierig, da die Strömung in den Strudenkanal drückte, wir aber aus dieser Hauptströmung steuerbord ausfuhren. Bei dem verträumten St.Nikola beruhigte sich dann das Tempo. Auch so die Landschaft.
Am 8. Juni war es dann soweit. Wir kamen nach Wien, meiner Geburtsstadt. Einen sehr günstigen Liegeplatz fanden wir hier im Yachthafen Kuchelau, wo auch die Verbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt optimal ist. Neun Tage lang besuchten wir alle meine Freunde, ließen uns kulinarisch verwöhnen und besichtigten natürlich einige Sehenswürdigkeiten, die Dörte noch nicht kannte. Doch wer nach Wien fährt, sollte viel Zeit und viel Geld mitnehmen. Wien ist sehr interessant, doch auf die Dauer auch sehr teuer.
Danach hieß es: „Leinen los, Richtung Osten“. Im Gegensatz zur Grenze zwischen Deutschland und Österreich, wo die Grenzformalitäten bereits abgeschafft sind, hatten wir nun unsere erste Revision vor uns. Die Ausklarierung von Österreich erledigten wir bereits in Wien bei der Reichsbrücke, wobei aber zu erwähnen ist daß die Revision für Sportboote normalerweise in Hainburg durchgeführt wird. Wir konten aber den Zoll telefonisch davon überzeugen, daß die Station in Hainburg zu viele Risiken für meinen 1.80 Meter tiefgehenden Langkieler aufweist.
Bei prächtigen Reisewetter ging es dann wieder weiter. Die Schleuse Freudenau war schnell genommen und die Donau wurde langsam breiter. Die Bäume standen im Wasser, einige einsame Inseln waren links und rechts zu sehen. Eine schöne Strecke kam uns entgegen.
Die Zollstation zum Einklarieren in die Slowakei ist schwer zu finden, wir fuhren fast daran vorbei, wendeten und mußten gegen die starke Strömung kämpfen.
Nach einer halben Stunde erreichten wir Brastislava, wo wir bei Kilometer 1865 ins Hafenbecken steuerten und vor der Steganlage Milan´s anlegten. Hier war auch das Etappenende meiner Freundin, deren Urlaub zu Ende ging. Nach einigen Tagen des Faulenzens kehrte sie nach Münster zurück und ich wartete hier auf einen Bekannten, der mich zwei Wochen bis nach Belgrad begleitete. Neunzehn Tage blieb ich hier, sah mir jeden Winkel der Stadt an und lernte viele Menschen kennen.
Ich empfehle noch in Bratislava alles Nötige zu bunkern, da es dort wesentlich günstiger ist und die Leute auch hilfsbereiter sind. Am besten ist man an der Steganlage vor „Milans Restaurant“ aufgehoben, welche sich beim Donau-Kilometer 1865, an der linken Seite des letzten Hafenbeckens befindet. Die Preise sind dort außergewöhnlich günstig, das Schiff bestens abgesichert und die Küche Milan´s läßt keine Wünsche offen. Weiters kann man dort auch jede Art und Menge Treibstoff bestellen, welche der Wirt persönlich zum Schiff transportiert. Von da gibt es auch die Möglichkeit ohne Ärger in die Stadt zu kommen. Der Besuch der Altstadt lohnt allemal.
Am 6. Juli hieß es Abschied nehmen, wir erreichten Gabcikovo, die vorerst letzte Schleuse und ankerten in einem wunderschönen Altarm beim Kilometer 1785 RU.
Die Grenzformalitäten für die Slovakei und Ungarn waren schnell erledigt und so glitt die Goldfisch die Donau stromab.
Die Fahrt durch Budapest gestaltete sich zu einem wahren Kulturerlebnis. Vorbei an der Margareteninsel und diversen Prachtbauten, wie dem Parlament, führt die Strecke dann Richtung Yugoslawien.
Die Stadt Baja, welche durch ein verzweigtes Kanalsystem zu erreichen ist, gilt als Geheimtip unter Donaureisenden. Hier hat man noch einmal die Möglichkeit zwischen den Inseln Energie zu tanken und sich geistig auf Serbien vorzubereiten.
Nach einer Chaosrevision in Bezdan, die mich einen ganzen Tag kostete und vorbei am total zerschossenen Vukovar, erreichte ich am 13. Juli Novi-Sad und hatte am nächsten Tag genügend Zeit die Formalitäten für die Durchfahrt der Zerstörten Brücken zu erledigen.
Hier muß man auf jeden Fall einen Tag einplanen, da die gleichen Behördengänge wie an der Grenze zu erledigen sind. Mit dem Taxi kam ich zur Polizeistation und zum Hafenamt. Dort wurde mir dann für 280.- DM eine separate Bewilligung für die Durchfahrt erteilt.

Auszug aus dem Bordtagebuch:
Obwohl das Schiff überaus ruhig, bereits die zweite Nacht an der „Donaustar 3“, einem ebenfalls auf die Durchfahrt warteten Frachters festgemacht war, bekam ich nicht viel Schlaf ab. Der heutige Tag ist eindeutig der Knackpunkt dieser Reise rund um Europa. Heute werden die zerstörten Brücken passiert.
Um 04.00 ist bereits Aufstehen angesagt, da die Pontonbrücke geöffnet wurde. Zuerst kommen die Bergfahrer, und nach Sonnenaufgang müssen alle wartenden Schiffe zu Tal abfahren. Nach einigen Kaffees wird es hektisch. Einer der Besatzung von der „Donaustar 3“ klopft an das Fenster und meint, es geht los. Also ablegen, das Manöver des Frachters abwarten und dann dahinter her fahren. Doch es ist noch nicht soweit und der Frachter dreht noch ein Mal, um an sein Schwesternschiff anzulegen und auf weitere Order der Yugoslaven zu warten. Ich stelle die Goldfisch hinter Ihm in den Strom und warte ebenfalls. Dazu muß ich erwähnen, daß normalerweise jeder vor der Durchfahrt eine „Schulung“ bezüglich der Strecke absolvieren muß. Die aber wieder Geld kostet. Der Kapitän der „Donaustar 3“ erklärte aber Tags zuvor dem Hafenkapitän, daß die Goldfisch direkt hinter ihm herfährt, und ich deshalb diese „Schulung“ nicht benötige.
Nach fast einer Stunde ist es dann soweit. Die „Donaustar 3“ legt ab, wendet und nimmt Kurs auf die erste zerstörte Brücke, die „Friedensbrücke“. Ich hinterher. Bekomme ein absolut flaues Gefühl in der Magengegend, da ich Tags zuvor erfuhr, die Durchfahrt bei den Brücken sei noch sehr gefährlich, da es teilweise weniger als zwei Meter Wassertiefe hat, und sich überall gefährliche Strudel bilden. Mein Herz klopft über beide Ohren und ich bin irrsinnig nervös. Eine Zigarette nach der Anderen. Und dann sind wir da! Ich steuere zur rechten Flusseite in die Richtung des „heilen“ Stückes der ersten Brücke. Am Brückenpfeiler vorbei, von wo aus die zerstörten Teile, zur Flußmitte hin, in die Donau hängen, ist blitzartig die Brücke über, und kurz danach schon hinter mir. Wahnsinn!!! Bei der zweiten und dritten Brücke muß ich die Goldfisch nach links, vorbei an aus dem Wasser ragenden Metallteilen manövrieren. Überall verbogenes Eisen. Riesige Strudel im Wasser, die die Goldfisch hin und her werfen. Dabei die Ungewißheit der Wassertiefe, da das Echolot, bedingt durch die Strudel im Wasser, keine klaren Daten liefert. Militärpontons und Minensuchgeräte. Außerdem spüre ich die Blicke durch unzählige Fernstecher im Nacken. Noch gestern waren hier Schwimmkräne an der Arbeit um einige gefährliche Eisenteile zu entfernen und eine Fahrrinne mit zirka zwei Metern Tiefe zu schaffen. Die geöffnete Pontonbrücke nehme ich überhaupt nicht wahr. Erinnere ich mich gar nicht mehr an die Durchfahrt. Über dem Ganzen, rechts oben am Berg die riesige Burg von Novi Sad an deren linken Seite ein Hotel errichtet wurde, von wo viele Schaulustige das Geschehen beobachten. Ich muß noch am Polizeiponton anlegen um mich abzumelden. Doch hier, in dieser Außenkurve, entsteht eine relativ starke Strömung. Ich taste mich nicht, wie bei allen anderen Anlegemanövern, vorsichtig zum Ponton, sondern lasse die arme Goldfisch brutal auf diesen Platz krachen, da die Zeit drängt. Von hinten kommt bereits ein Schubverband durch die letzte Brücke. Also mit Getöse rann, um sofort auf den Ponton zu springen, und meine Papiere vorzeigen. Nach wenigen Minuten habe ich diese Prozedur erstaunlicherweise hinter mich gebracht. Schnell wieder ablegen. Die nächste Brücke war sichtlich neu errichtet. Und danach ragen wieder Überreste aus dem Wasser, welche es zu umfahren gilt. Und auch hier wieder starke Strudel im Wasser. Die Goldfisch ist nur sehr schwer zu bändigen. Doch nach der Einmündung des Bogojevo-Kanales auf der linken Flusseite beruhigt sich die Wasseroberfläche wieder. Hier wäre die Ausfahrt in die Donau gewesen, durch welche ich gekommen wäre, wenn ich mich, wie ursprünglich geplant, für die Umfahrung der Brücken entschieden hätte. Aber diese Fahrt durch den Kanal hätte mich ca. 1000.- US Dollar gekostet und ich wählte ja den Weg durch die Brücken, um die Donau komplett zu befahren. An der rechten Flusseite sind alle von Berg kommenden Frachter vor Anker gegangen, damit die Besatzung per Beiboot zurück fahren kann. So wie ich es getan habe, müssen sich auch alle anderen Schiffe bei der Polizei wieder abmelden.
Es beginnt zu regnen und ich beruhige mich langsam.

Ende des Auszuges aus dem Bordtagebuch

Einige Tage in Belgrad bestätigten mir, daß es mit der jetzigen Regierung niemals eine Veränderung für die total verarmte Bevölkerung geben kann. Teilweise leiden die Menschen an Hunger, ein Pensionist erhält zum Beispiel 65.- DM monatliche Rente. Damit kann sich selbst hier, wo alles billiger ist, niemand über Wasser halten.
In Belgrad ging mein Gast von Bord und danach wird die Donau langsam zum Inselparadies.
Anders als beim Einklarieren in Bezdan, hatte ich keinerlei Schwierigkeiten das Land bei Veliki Gradiste offiziell zu verlassen.
Immer mächtiger werdend, schlingt sich der Fluß durch die Landschaft, um sich dann bei Golubac auf sechs Kilometer zu verbreitern. Dort beginnt dann die Gebirgsgrenze, wo sich die Donau plötzlich wieder auf nur vierhundert Meter verengt. In den Karpaten zwängt sich der Fluß dann sogar einige Male durch hundert Meter breite Passagen. Links und rechts steil empor ragende Felswände und die Wassertiefe beträgt hier bis zu sechzig Meter. An der linken Seite befindet sich bereits Rumänien. Es herrscht Einbahnverkehr.
Nach dem Cap Greben öffnet sich das Becken von Milanovic, welches über 1300 Meter breit ist. Der hier so bekannte „Koschowa“, ein Starkwind der sich über den Karpaten bildet, holte mich hier ein und ich bekam richtige Probleme. Der Sturm erreichte eine Geschwindigkeit von mehr als hundertzwanzig Stundenkilometer und die Wellen waren mittlerweile mehr als einem Meter hoch. Anders als am Meer sind Diese kurz und stark.
In drei Kilometer Entfernung liegt am Kilometer 988 RU ein Altarm in dem ich das Schiff rettete und den Anker warf. Die Möglichkeit hier zu ankern sollte jeder wahrnehmen, da dies ein wahres Paradies ist. An der Einfahrt, hinter dem Cap Colcuk befindet sich eine Station des Militärs. Es besteht zwar die Möglichkeit einer Kontrolle, aber die Beamten sind überaus nett und hilfsbereit. Da ich ein Transitvisa hatte und außerdem bereits aus Jugoslawien ausklariert hatte, dürfte ich mich dort nicht aufhalten. Sie hatten aber Einsehen und erteilten mir die Genehmigung, daß ich dort zwei Nächte bleiben dufte. In den Arm kann man zirka zwei Kilometer einfahren da danach eine Brücke den Arm überspannt und die Höhe nicht ausreicht. Der Arm liegt wie ein großer See eingebettet zwischen Bergen und an der rechten Seite liegt ein kleines Dorf. Der Blick zurück zeigt die volle Breite diesen Armes und die vorbeifließende Donau. Ein wirklich atemberaubendes Panorama. Es empfiehlt sich einen zweiten Anker auszubringen. Der von den Bergen abgeschwächte Wind kommt von der Donau und aus den Bergen die Strömung. Die ist sehr gering und somit richtet sich das Schiff nur Nachts, wenn es windstill ist, in den Strom. Bei der Ausfahrt aus dem Arm ist unbedingt auf die zahlreichen Fischernetze zu achten, welche dort überall ausgelegt sind. Jeder der hier vorbeikommt, sollte diesen Platz einplanen, da es einer der Schönsten und auch bei schlechtem Wetter einer der Sichersten auf der Donau, ist.
Zwei Tage später lichtete ich den Anker und erreichte Mont Veliki Strbac von wo aus sich die Donau, dieses Mal auf nur hundert Meter Breite verengt und wieder eine Wassertiefe von sechzig Meter freigibt. An beiden Seiten steile, hochaufragende Felswände.
Ich stellte mit Erschrecken fest, daß ich nur wenige Meter vom Ufer entfernt steuerte, war aber auch ziemlich schwierig die Goldfisch in der Mitte zu halten. Zum Einen wollte ich etwas von den Felswänden sehen und war dementsprechend gefesselt vom Anblick dieser Durchfahrt, und zum Zweiten kämpfte ich ununterbrochen gegen riesige Strudel, die die Goldfisch den Donauwalzer tanzen ließen.
Das Wasser schien zu kochen, obwohl fast keine Strömung herrschte. Da es dieses Mal eine viel engere Passage ist, hoffte ich nur, daß mir niemand entgegen kommt.
Vorbei an einer Grotte an der linken Seite und der früheren Signalstelle öffnet sich nach drei Kilometern ein Becken an der linken Flusseite zwischen dem rumänischen Dubova und dem jugoslawischen Varnica. Ungefähr zwei Kilometer lang und ebenso breit. Wie eine große Badewanne, errichtet von den „Märchenriesen“ aus den Karpaten.
Danach wieder hinein in ein weiteres hundert Meter breites Flusstück. Wieder das Gleiche: Felswände wohin man schaut, in diesem Einbahnstück der Donau. Einfach atemberaubend! Und plötzlich bei Kilometer 965 ist alles vorbei. Die Donau wieder irrsinnig breit und lammfromm. Die Gebirge sind verschwunden, die Landschaft ist um einiges flacher geworden.
In Orsova, das sich im Staubereich des Eisernen Tores befindet, erledigte ich meine Eingangsrevision für Rumänien und nach wenigen Kilometern erreichte ich das größte Stauwerk Europas. „Djerdap“, „Portile de Fier“ oder auch „Eisernes Tor“ genannt. Die elektronisch gesteuerten Schleusen sind 310 Meter lang und 34 Meter breit. In ihnen findet ein Zugschiff mitsamt 9 Schleppkänen von je 1.200 Tonnen Platz. In zwei hintereinander liegenden Kammern sank ich 36 Meter zum Unterlauf der Donau.
Die folgenden hundert Kilometer bis zum Eisernen Tor 2 waren ziemlich trostlos. Unzählige aufgelöste Fabriksanlagen an den Ufern und erst nach dieser letzten Schleuse auf meiner Reise wird die Gegend zunehmends bezaubender.
Hier beginnen bereits die ersten Inselgebiete des folgenden Donaudeltas. Hunderte Inseln mit kilometerlangen Sandstränden bieten unglaublich schöne Ankermöglichkeiten. Auch hat man hier die Möglichkeit bei den rumänischen Städten an den jeweiligen Pontons der Hafenbehörden über Nacht fest zu machen. Dafür wird hier 1 US-$ berechnet. Sollte man trotz allem keinen Ankerplatz für die Nacht finden, ist dies eine angenehme Alternative.
Aus dem Wasser ragende Sandbänke mit den unterschiedlichsten Vogelarten begrüßten mich überall. Zahlreiche Tiere, die wir nur noch aus dem Fernsehen kennen, viele Zigeunersiedlungen und überaus gastfreundliche Menschen begegneten mir auf diesem Teil. Dem Teil des längsten Flusses in Europa der hier 10 Kilometer breit wird, im späteren Donaudelta sogar über 15 Kilometer. Wo man die Ufer des Flusses, versteckt hinter den zahllosen Inseln nur vermuten kann. Fernab jeder Zivilisation genoß ich hier die nächsten Wochen.
Trotz den Regenfällen im Norden fiel der Wasserstand der Donau fast stündlich und entzog mir regelrecht das Wasser unter derm Kiel. Und so beendete ich gezwungenermaßen am 111. Tag, nach 3171 Kilometer die erste Etappe meiner Europaumrundung in Oltenita, einer kleinen Stadt 200 Kilometer vor Konstanza.
Die „Goldfisch“ wurde aus der Donau gekrant und wartete geduldig bis der Wasserstand des kommenden Frühjahres es zuließ die Reise fortzusetzen.

Gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin, die mich im Jahr davor von Münster bis nach Bratislawa begleitete, setzte ich im Mai 2001unsere Europaumrundung fort.
Nun trieben wir flussabwärts und langsam kehrte wieder Ruhe ein. Ruhe, die wir so lange herbeigesehnt hatten. Nach über sieben Monaten Arbeit, Organisation und Stadtleben hatten sie wir wieder. Keine Geräusche, nur das samfte Brummen des Schiffsdiesel und das Rauschen der Donau unter dem Kiel. Wir sprachen kein Wort, ließen alles auf uns wirken.
Die Sonne schien auf uns herab, die vorbeiziehenden Inseln spiegelten sich im Wasser. Die Weiden hatten sich bereits von der Hitze des vergangenen Jahres erholt und boten ihr sattes Grün dar. Der Wasserstand war auch wieder höher, fast keine Strände an den vorbeiziehenden Inseln zu sehen. Doch trotzdem ragten hier und da noch Sandbänke aus dem Fluß und dienten verschiedenen Vogelarten Gelegenheit zusammen zutreffen. In der Ferne sahen wir Störche und Reiher.
Eigentlich wollte ich vor unserer Abfahrt in Oltenita noch die Luken abdichten, doch verschob ich dieses Vorhaben und sofort in der ersten Nacht dieser Etappe wurde uns natürlich die Quittung dafür präsentiert. Der Himmel öffnete seine Pforten und es regnete in Strömen. Wieder war alles naß unter Deck, überall standen Töpfe, um das eindringende Wasser aufzufangen und es breitete sich unangenehme Feuchtigkeit aus.
Erst im Morgengrauen ließ diese Flut nach und als unsere Blicke nach draussen fielen, sahen wir unseren ersten Pelikan auf der nahen Sandbank stehen um sich in der aufgehenden Sonne aufzuwärmen. Es erschien uns wie ein Traum. Sanfte Sonnenstrahlen beleuchteten diese Szenerie. Wir vergaßen augenblicklich die feuchte Nacht und ließen dieses Schauspiel auf uns einwirken.
Am späteren Vormittag holten wir den Anker auf, wendeten und ließen uns von der Donau weiter talwärts schieben.Wir erreichten den Borceaarm der Donau, welcher sich vom linken Flußufer davonschleicht. Ein Frachter aus Zypern passierte uns und danach steuerten wir backbord in den Bala-Kanal.
Leichter Nebel lag über der Wasseroberfläche. Von überall Vogelgezwitscher zu hören, ein Fisch sprang neben der „Goldfisch“ aus dem Fluß.
Bei strahlendem Sonnenschein gleiteten wir durch den Wasserdampf auf den Balakanal in Richtung Borcea-Arm.
Eigentlich hatten wir uns hier einen schöneren Weg vorgestellt, doch dieser Kanal wirkte ziemlich künstlich auf uns.
Nach knappen 70 Kilometern kamen wir bei Girgeni wieder zurück auf den Fluß. Irgendwie schien er hier wesentlich breiter zu sein als vor der Abzweigung zum Balakanal.
Insel nach Insel gleitete an uns vorbei. Eine schöner als die Andere. Wildpferde waren am Ufer zu sehen und etwas später einige Zigeunersiedlungen. Ein riesiger Schwarm Störche überflog die „Goldfisch“ und ich hatte das Gefühl, Dörte verknipst mindestens 50 Fotos.
Nach Chiscani erreichten wir Stadt Braila. Der Ponton der Capitania ist leicht zu finden und es begann die Kontrolle der Behörden an Bord der „Goldfisch“.
Der Hafenkapitän, sowie ein Beamter der Polizei und des Zolls saßen bei uns im Steuerstand und waren ziemlich verwundert über unsere Reise. Wir mußten ihnen detailiert erklären wie wir diese lange Strecke ohne Komplikationen schafften, zeigten ihnen einige Zeitungsartikel, die in Deutschland darüber veröffentlicht wurden und erklärten ihnen mit reichlich Bier die Funktionsweise der verschiedenen Geräten an Bord.
Nach zwei Stunden spürten wir daß nicht das Schiff schwankt, sondern wir. Ich bat den Hafenkapitän uns doch zu erklären wo sich die Bank und Geschäfte befinden damit wir unsere Vorräte aufstocken könnten. Kein Problem, erklärte er und nachdem wir uns von den beiden Anderen verabschiedeten, saßen wir auch schon in seinem Auto um in die Stadt zu fahren.
Überall geschäftliches Treiben auf den Strassen und schnell erreichten wir, vorbei an gepflegten Häusern, die Bank. Der Hafenkapitän stellte uns den Angestellten vor und hatte sichtlich Freude daran uns zu helfen. Danach fuhr er uns zu dem Supermarkt, der die frischesten Waren anbietet. Gemüse, Obst, Käse, Brot, Getränke und viele andere Dinge wurden daraufhin gemeinsam zu seinem Auto geschleppt.
Auf dem Weg zurück zum Schiff zeigte er uns noch alle Sehenswürdigkeiten der Stadt, auf die er sichtlich sehr stolz war. Er hatte auch allen Grund dafür, denn hier ist alles wirklich sehr gepflegt. Da er hier natürlich sehr viele Leute kannte, wurden wir überall gegrüßt und viele Menschen winkten uns beim Vorbeifahren.
Noch Schnaps, dieses Mal vom Hafenkapitän, und danach wurde der Einkauf verstaut.
Danach schlenderten wir noch gemütlich über die Uferpromenade, entdeckten einen kleinen Jahrmarkt und kamen an der Stadtmauer entlang, erst spät in der Nachts zurück zum Schiff.
Bereits um 10.30 Uhr des nächsten Morgens hatten wir den riesigen Donauhafen von Galati an der linken Flusseite. Riesige Hochseeschiffe lagen am Kai, teilweise bis zu vier Stück im „Päckchen“. Alle mit Rost übersäht und wir fragten uns was diese Schiffe wohl über Wasser hält. Unzählige Krananlagen erinnerten an eine wirtschaftlich bessere Zeit. Reger Verkehr zwischen den beiden Ufern und einige kleinere Fischerboote brachten ihre Netze aus, welche aber vor dem passieren der grösseren Schiffe sofort wieder eingeholt werden mußten. Die Frachter waren grösstenteils mit Kohle beladen und führten in den meisten Fällen die Ukrainische Flagge am Heck.
Die Donau verlief nun in West-Ost-Richtung, wurde nun nicht mehr in Kilometer, sonder in Meilen ausgeschidert und es wurde wieder ruhiger.
Nach einer Stunde Fahrt und einer langen Flußbiegung ging es wieder Richtung Norden. Wind kam uns mit geballter Kraft entgegen. Obwohl wir flußabwärts steuerten, mußten wir gegen die sich aufbauenden Wellen an. Es erschien uns ziemlich unwirklich. Kämpften gemeinsam mit dem Strom gegen diesen starken Wind. Schäumendes Donauwasser ergoß sich über das Deck. Wir spürten, wie das Schiff gebremst wird und schoben uns weiter durch dieses Szenarium.
Erst als der Fluß wieder nach Osten verlief, wurde der immer stärker werdende Wind von den ukrainischen Hügeln abgehalten. Möchte uns das ehemalige Russland davon abhalten in seine Nähe zu kommen? Es erschien jedenfalls so. Um Ufer sahen wir Wachtürme und Drahtverhaue, Militäranlagen, zahlreiche Satelitenantennen und bewaffnete Soldaten. Am anderen, rumänischen Ufer dichte Wälder, ohne Anzeichen irgendwelcher Kontrolleinrichtungen. Dörte fragte mich, wovor die Ukrainer wohl Angst haben. Vor einem rumänischen Angriff, oder vor der Flucht des eigenen Volkes.
Wierder einmal war die Donau Grenzfluß. Nun zwischen der Ukraine und Rumänien.
Nach 20 Meilen kamen wir an die Abzweigung des Kilianarmes, welcher weiter an der ukrainischen Grenze entlang, richtung Norden führt. Eigentlich hätten wir diesen angeblich so schönen Donauarm gerne erkundet und über Izmail das Schwarze Meer angesteuert. Doch erfuhren wir unterwegs, daß in Izmail die Wartezeit auf das ukrainische Visa bis zu vier Wochen dauern kann und 200.-DM pro Person kostet. Auf beides hatten wir keine Lust und entschieden uns dafür nach Tulcea fahren, um von dort in das einsame Delta einzufahren.
Die Strömung nam nach der Abzweigung rapide ab, die grünen Ufer kamen näher und hinter den hohen Bäumen sahen wir einige Häuser stehen, von denen überall kleine Stege in den Fluß ragten. Das Gefühl einen mächtigen Strom zu befahren war gewichen, hier ist es um vieles ruhiger als auf allen vorhergegangenen Reiseabschnitten.
Nach einigen Flußkrümmungen sahen wir schon die Häuser und einige Krananlagen von Tulcea am Ufer.
Zuerst befinden sich kleinere Hafenanlagen und danach offiziell wirkende Pontons am rechten Ufer.
Wir kamen an eine lange Linksbiegung, an der im Aussenbogen, eine Unmenge an Passagierschiffen und viele kleinere Boote am Kai lagen. Bis zu fünf Stück im Päckchen, jeder noch so kleine Platz war belegt. Dahinter die Promenade, Wohnhäuser und viele Kneipen, Bars und Restaurants. Schon der erste Eindruck bestätigte uns, daß hier ein ganz anderes Leben und Treiben herrscht, als in den zurückliegenden Donaustädten.
Einige Leute versuchten uns heranzuwinken, gaben uns zu verstehen daß wir bei ihnen anlegen können. Dörte erspähte durch den Fernstecher ein Boot, welches wie ein kleines Restaurantschiff aussah und von dem nicht pausenlos irgendwelche kleinere Boote an- oder ablegten.
Doch schau an, hier floß die hier geringe Strömung in die entgegengesetzte Richtung. Wir befanden uns im Kehrwasser. Also noch einmal wenden, um es erneut zu versuchen. So klappte es wesentlich besser und nach kurzer Zeit hatten wir festgemacht.
Dörte und ich klarierten das Schiff auf und danach ging ich mit Marin, einem deutsch sprechenden Rumänen, zum Hafenbüro. Vorbei an den vielen Lokalen der Hafenpromenade und den Ausflugsschiffen, die Fahrten ins Delta anboten, erreichten wir nach etwa zwei Kilometern Marsch das Gebäude der Hafenverwaltung. Irgendwie passte dieses Haus so gar nicht in das farbenfrohe Geschehen der Promenade. Grau und trostlos stand es da und wirkte etwas einschüchternd auf mich.
Relativ schnell wurde hier aber mein Schiff ins Buch der Hafenbewegungen eingetragen. Jedoch erfuhr ich, daß wir für unsere geplante Fahrt durchs Delta eine spezielle Bewilligung benötigen und auch die Ausfahrt vom St.Georgs-Arm ins Schwarze Meer nicht gestattet ist. Die zuständige Behörde war aber am Wochenende nicht geöffnet.
Nicht weit von unserem Liegeplatz entdeckten wir eine Pizzeria mit angeschlossener Konditorei. Die Bedienung war nicht gerade freundlich und wir warteten einige Zeit auf unser Essen, doch das Panorama hier entschädigte allemal dafür.
Montag früh morgens erhielt ich im Verwaltungsgebäude des „Biosphärenreservates Donaudelta“ die Bewilligung ins Delta einzufahren. Wir wechselten Geld auf der Bank, versendeten einige E-Mails im Internetcafe und brachten danach viele, mit Lebensmitteln gefüllte Tüten zurück zum Schiff.
Vier Kilometer nach Tulcea steuerten zwei Ausflugsschiffe aus einem Kanal in die Donau. An Bord sahen wir einige Touristen mit Fotoaparaten und Videokameras. Hier also laufen die offiziellen Touistenpfade.
Nach kurzer Zeit führte ebenfalls nach Backbord, der begradigte Sulinaarm, durch den die gesamte Grosschiffahrt zum Meer ausläuft. Auch ihn ließen wir liegen und bogen in den St. Georgsarm der Donau. Hier endete auch unser Kartenmaterial mit dem Hinweis, daß dieser Arm von der Schiffahrt nicht benützt werden kann da die Wassertiefe nicht ausreicht. Von nun an half uns nur mehr eine Handskizze, die ich im vergangenen Jahr von einem Fischer erhielt.
Die Stömung nam noch mehr ab, die grünen Ufer kamen näher und wir ließen uns in einen neuen Reiseabschnitt treiben.
Der Abstand von einem Ufer zum Anderen betrug nur ungefähr zwanzig Meter, die Wassertiefe lag zwischen drei und vier Meter und außer dem leisen Brummen des Motors war nur das Rauschen der Blätter zu hören. Der Donauarm windete sich in vielen Biegungen weiter und nach einer Stunde Fahrt erreichten wir Ada Marinescu, ein kleines Fischerdorf am rechten Flußufer.
Wir waren zwar erst zwei Stunden unterwegs, ließen aber hinter der nächsten Insel den Anker fallen.
Vorbei an vielen kleinen Abzweigungen, die ins Hinterland führen, fuhren wir am nächsten Morgen gemütlich weiter. Die Wälder an den Ufern wurden immer dichter und erst als wir Mahmudia erreichten, wich dieser Dschungel für kurze Zeit einigen Felsformationen, welche bei diesem Dorf aus dem Wasser ragten. Der St.Georgsarm wurde hier an diesen Felsen entlang gedrückt und so entstand wieder eine etwas stärkere Strömung.
Vor uns lag eine Gabelung. Laut unserer notdürftigen Karte müsste der Arm nach links und dann in einer weiten Schleife nach rechts weiterführen, von wo wir an einen See fahren wollten um dort Pelikane zu finden. Geradeaus war auf dem Plan nur ein düner Strich zu erkennen. Doch dieser dünne Strich schien ein richtiger Kanal zu sein. Etwas verwirrt steuerte ich trotzdem nach links. Direkt an der Gabelung ragten große Steine aus dem Wasser und wir erkannten, daß die Strömung eindeutig in den rechten Kanal drückt. Da wir aber davon ausgingen, daß unsere Karte stimmt, steuerte ich die „Goldfisch“ weiter nach Backbord. Nach vielleicht 50 Metern nam die Wassertiefe aber ab und das Echolot zeigte nur mehr zwei Meter.
Ich versuchte zu wenden, spürte aber schnell Sand unter dem Kiel scheuern. Also nicht ausholend wenden, sondern etwas zurück und am Stand drehen! Das Echolot zeigte wieder zwei Meter Tiefe und wir tasteten uns nun stromauf, vorbei an einigen Untiefen, die aber wieder nur aus Sand bestanden. Zwei Meter, zweieinhalb und dann wieder drei Meter. Wir waren wieder an der Abzweigung angelangt.
Das Schiff wurde förmlich in den Kanal gezogen. Die Steine lagen nun links von uns und am rechten Ufer ragten wieder die Äste der nahen Bäume ins Wasser. Ausgeschwemte Wurzelteller und steil abfallende Ufer kamen uns entgegen. Selbst in Ufernähe hatten wir hier noch immer drei Meter tiefes Wasser. In der Mitte des Kanals sogar fünf.
Zehn Meilen verlief dieser Kanal schnurgerade durch die Landschaft, bevor von backbord wieder der St.Georgsarm einmündete, welcher von diesem Kanal abgeschnitten wurde. Die Wassertiefe nam wieder ab und die Strömung beruhigte sich.
An der anderen Seite der Gabelung, zwischen dem Kanal durch den wir kamen und dem St.Georgsarm, erblickte Dörte einige Reiher neben einer Hinweistafel durchs flache Wasser waten. Durch den Fernstecher erkannte sie, daß dieses verrostete Schild auf die geschützten Vogelarten des Reservates hinwies. Und daneben stapfte einer dieser Reiher durch die Gegend! Sah irgendwie witzig aus.
Dörte meinte, wir sollten doch versuchen in diese Flusschleife weiter zu fahren, welche uns von der anderen Seite versagt war. Mit Standgas steuerte ich nun das Schiff weiter. Der Stromarm wurde immer breiter, doch die Wassertiefe blieb konstant.
Einige Kilometer weiter warfen wir den Anker in der Nähe eines sehr kleinen Kanals. Mit dem Dhingi fuhren wir weiter.
Fischerboote lagen an den Ufern, vor einem Haus hingen Netze und zwei Hunde verbellten uns als wir vorbei fuhren. Nach zwei Biegungen war es aber meschenleer und absolut ruhig. Die Äste der an den Ufern stehenden Bäumen schienen über den Kanal zusammen zu wachsen und wir hatten das Gefühl durch einen Tunnel zu fahren. Der Kanal windete sich immer mehr in diesen dichten Wald. Dörte entdeckte Kraniche am Ufer, etwas später einige Reiher. Ein Storch überflog uns und landete vor uns am Ufer.
Der Wald lichtete sich nach einigen Kilometern, die Ufer wurden flacher und bald darauf steuerten wir nicht mehr neben hohen Bäumen, sondern durch dichtes Schilf. Kormorane waren zu erkennen. Einige Möwen saßen auf treibenden Ästen.
Und plötzlich breitete sich ein See vor unseren Augen aus.
Eine riesige Biomasse. Unmengen an Wasserpflanzen ließen den den See wie eine riesige Rasenfläche aussehen. Und schon saßen wir in einer solchen Pflanzenmasse fest. Der Motor starb ab. Ich hob ihn aus dem Wasser und zog meterlange Planzen mit hoch. Ich befreite die Schraube und Dörte paddelte weiter. Als wir wieder eine etwas offene Wasserfläche erreichten wollte der Motor aber nicht mehr anspringen. Jetzt bemerkten wir auch den aufkommenden Wind, der uns immer mehr in diese blubbernde Umgebung schob. Wieder und wieder riß ich am Startseil. Gleichzeitig trieben wir auf ein Neues in diesen Salat, der an der Oberfläche schwamm.
Der Motor sprang an, ich steuerte das Boot wieder zurück in die Richtung des einmündenden Kanales, doch wieder starb er ab. Einen knappen Meter neben unserem Boot tauchte ein Kormoran auf, blickte uns erstaunt an und verschwand danach wieder unter Wasser.
An der Startleine reissen, paddeln, reissen, paddeln. So erreichten wir wieder die Mündung. Hier war es auch wieder windstiller. Gut so, denn mittlerweile waren meine Hände von den Startversuchen komplett wundgescheuert.
Also durch den Kanal wieder zurück. Mit einem Blick zurück sogen wir noch einmal diese einzigartige Schönheit der Natur mit seinen Bewohnern auf. Anscheinend wollte dieser See ungestört bleiben.
An der Leine reissen, einige Meter unter Motor fahren und paddeln wechselten sich nun auf diesen Weg zurück ab.
Wieder sahen wir Reiher, dieses Mal sogar zwei Löffler am Ufer stehen. Ein Entenpaar überholte uns und am Himmel zogen einige Störche dahin.
Wir erreichten den St.Georgsarm und vollkommen erschöpft kammen wir zurück an Bord der „Goldfisch“.
Am nächsten Morgen machten wir uns wieder auf den Weg auf dem St. Georgskanal flußaufwärts zu steuern.Wir ließen Mahmudia an Backbord liegen und kammen an die Insel, hinter der wir vor einigen Tagen geankert hatten.
Da an der Inselspitze eine Tonne anzeigte, daß wir an beiden Seiten passieren können, entschieden wir uns für die linke Durchfahrt. Die Rechte kannten wir ja bereits von der Talfahrt.
Wir fuhren an der Insel vorbei und erkannten danach an Steuerbord, nahe dem Ufer eine rote Tonne. Das bedeutete, daß wir die Flusseite wechseln mussten. Doch plötzlich fiel die Anzeige des Echolotes und bevor ich etwas unternehmen konnte war es auch schon geschehen. Wir saßen auf.
Rückwärtsgang einlegen, doch die Strömung gab das Schiff nicht frei, sondern schob es weiter auf Grund. Unter uns musste sich eine Sandbank befinden! Scheuernde Geräusche waren zu hören. Die Strömung drückte immer mehr an den Kiel und nun neigte sich das Schiff nach Steuerbord, stand quer zur Srömung. Verdammt!
Ruhig bleiben und überlegen! Ist aber leichter gesagt als getan. Schweißtropfen perlten von meiner Stirn und Dörte blickte mich ängslich an.
Voraus war es nicht möglich Gas zu geben. Somit kommen wir noch weiter auf die Sandbank. Zurück war es auch nicht möglich. Die Schraube drehte zwar, doch wir bewegten uns keinen Milimeter. Das Steuer ließ sich auch nicht drehen. Wahrscheinlich steckte bereits das Ruderblatt im Sand. Nach einigen nochmaligen Versuchen stand die „Goldfisch“ wenigstens wieder aufrecht, aber noch immer quer im Strom. Bewegte sich aber trotzdem weder nach vor, noch zurück.
Was tun? Tausend Gedanken schossen uns durch den Kopf, keiner davon ist aber erfolgversprechend.
An der Durchfahrt der anderen Seite erkannten wir ein Schiff an einem Ponton liegen und sahen durch den Fernstecher auch Menschen. Ich versuchte es über Funk, aber keine Reaktion. Gab mit dem Horn Schllasignale, auch keine Reaktion. Ich sah zwar durch den Fernstecher, daß uns die Leute beobachteten, unternommen wurde aber nichts. Wut und Angst wechselten sich ab. Wieder Schallsignal, doch nichts. Sie schienen irgendetwas zu feiern und nach einiger Zeit hatten sich dort auch alle von dem Geschen abgewendet.
Die „Goldfisch“ legte sich erneut zur Seite und Wasser kam aufs Deck. Nach einiger Zeit richtete sie sich aber wieder auf.
Ein kleinerer Frachter kam den Strom bergauf. Funk, keine Reaktion! Holte die Signalflaggen und zog das Notsignal ins Top. Gleichzeitig gab ich erneut Signal mit dem Horn. Stieg auf das Dach des Steuerstandes, schrie und winkte mit den Armen. Doch auch hier reagierte niemand! Der Frachter zog weiter.
Ein weiterer Frachter näherte sich. Das gleiche Spiel. Funk, Zurufe, Schallsignale und Flagge. Doch auch hier keine Reaktion. Erst als uns der Frachter passiert hatte, erschien dort jemand auf der Brücke, zuckte mit den Schultern und gab uns zu verstehen, daß er nicht helfen kann. Ist denn das die Möglichkeit? Warteten denn hier alle, daß wir komplett kentern. Um danach das Schiff zu plündern? Ich wurde immer wütender.
Ein Fischerboot kam längsseits. Doch diese Leute waren nur an Wodka und Zigaretten interessiert.
Die Zeit verging und wir saßen noch immer fest. Einige Male neigte sich das Schiff wieder zur Seite, richtete sich aber jedes Mal wieder auf.
Gas nach vorn, Gas zurück, nichts.
Die einzige Möglichkeit, erklärte ich Dörte, von der Sandbank herunter zu bekommen ist, den Anker mit dem Dinghi auszubringen und dann das Schiff per Winsch frei zu bringen. Aber wie sollte ich mit dem Beiboot und dem Gewicht von Anker und Kette in den Strom kommen? Der Aussenborder funktionierte ja nicht und mit dem Gewicht war es nicht möglich gegen die Strömung zu rudern.
Wieder versuchte ich es mit Schraubenkraft. Da spürte ich, daß sich das Steuerrad drehen läßt! Das Schiff begann auf zu schwimmen! Rückwärtsgang, Vollgas, Ruder einschlagen. Wieder Vollgas nach vorne. Die „Goldfisch“ begann sich zu drehen! Rückwärts, Gegenruder, vorwärts und plotzlich wich der Wiederstand unter dem Kiel.
Ich stellte das Schiff in den Strom und wartete ab. Etwas Gas nach vorn, leicht nach Backbord, wieder gerade in den Strom und abermals leicht nach Backbord. So versetzend brachten wir nun Meter um Meter hinter uns und bald zeigte das Echolot zwei Meter, danach zeieinhalb an. Wir erreichten drei Meter Tiefe, ich steuerte die „Goldfisch“ weiter nach Backbord und nun waren wir in der Linie, die auch die Frachter fuhren. Die Gefahr lag hinter uns! Die rote Tonne lag eindeutig an der falschen Stelle, denn keiner der Frachter änderte seinen Kurs dorthin. Nur wir, da wir es gewohnt sind auf die Tonnen zu vertrauen. War es Dummheit der hier lebenden Menschen oder eine Falle? Wir werden es nicht erfahren...
Dörte und ich umarmten uns. Nichts wie weg von hier.
Schon bald erreichten wir den Sulina-Arm. Hier, in diesem künstlich angelegten Kanal verläuft der Weg der offiziellen Schiffahrt. Obwohl es uns nach mehr Natur dürstete, ist dies der einzige Weg legal ins Schwarze Meer auszulaufen. Nur in Sulina bekommt man die dafür notwendigen Ausreisestempel in die Reisepässe.
Die Ufer waren mit Steinen befestigt und wir sahen einige kleinere Dörfer, die aber wie Plansiedlungen aussahen. Nachdem wir Gorgova und den Crisan-Kanal erreichten, der in südliche Richtung weiter verläuft und laut Karte bis zum St.Georgs-Arm führt, kam uns bereits ein Seeschiff aus Panama entgegen und wir wurden von einer Raketa überholt. Mit 80 km/h flitzen diese Schnellfähren auf ihren Tragflügeln innerhalb kürzester Zeit von Tulcea nach Sulina und wieder zurück. Sekunden nachdem wir sie am Horizont des gerade verlaufenden Sulina-Armes erblickten, war sie auch schon neben uns und sofort wieder verschwunden. Was blieb ist nur die Erinnerung an das schnelle Ausweichmanöver dieser Fähre.
Wir kamen an die Mündung des Dunarea-Veche-Armes, welcher an der linken Flusseite lag.
Also wendete ich die „Goldfisch“ im Strom und tastete mich seitlich in diesen Mündungsarm. Das Echolot fiel auf 2,50 bis 2 Meter. Geringe Strömung kam uns entgegen und wir merkten, daß es auch hier nur in den Aussenkurven tiefer war. Nahe an den Ufern setzten wir unsere Fahrt fort. Die Wälder wirkten wie eine grüne Wand und wichen später immer öfter Schilfflächen.
Nach 90 Minuten erreichten wir eine Schleife, an der ein Fischerdorf lag. In diesem Teil des Deltas haben alle Dörfer Nummern. Dieses hieß Mila 23.
Leider war die Aufnahme hier nicht besonders freundlich, wir wurden am Ponton der Capitania beklaut und da wir keine Ankermöglichkeit fanden, steuerten wir wieder zurück zum Sulina-Kanal.
Bereits um 13.00 Uhr des nächsten Tages kamen wir in Sulina an.
Ein langer Kai lag vor der Stadt. Einige Frachter, Fischer und auch ein Tanker aus dem Meer, lagen hier festgemacht. Die Stadt wirkte aber eher wie ein kleines Dorf auf uns. Vorbei an einigen Anlegestellen steuerte ich den Ponton des Hafenamtes an. Sie sehen auf der Donau überall gleich aus und sind somit leicht zu erkennen. Dieser liegt exakt am Kilometerschild 0. Eigentlich endet hier die Donau, doch da der Fluß unaufhörlich Schlamm und Gestein ins Meer befördert, wächst der Sulina-Arm jährlich um 80 Meter weiter hinaus und von hier aus beginnt die Kilometrierung von neuem.
Die Nacht war sehr unruhig. Starker Wind schüttelte die „Goldfisch“ kräftig hin und her. Gegen 06.00 Uhr wurde es immer ungemütlicher und eine Stunde später flogen bereits Äste und vieles Andere durch die Luft. Sturm! Regen setzte ein und nach kurzer Zeit war fast nichts mehr zu erkennen. Es heulte und pfiff, das Schiff ruckte pausenlos in die Festmacher. Ich legte zusätzlich Springs und befestigte noch einige Autoreifen, um das Schiff besser abzusichern. Bei Starkwind, beim Anlegen an diversen Pontons oder an anderen Schiffen helfen keine Fender mehr. Sie gehen alle kaputt.
Der Sturm entwickelte sich zum Inferno. Stühle, Tische und ganze Teile der Bäume flogen an uns vorbei. Im Fluß trieben unzählige Schilfinseln, die sich losgerissen hatten. 140 km/h brausten über uns hinweg. Wir dankten Gott dafür, daß er uns die Entscheidung weiterzufahren oder zu bleiben, in Mila 23 abgenommen hatte. Absolut ungeschützt wären wir dem Sturm im Schilf ausgesetzt gewesen. Wir mochten nicht daran denken, was geschehen wäre.
Nach 4 Tagen hatte sich dann der Sturm gelegt und der Wellengang am Meer hatte sich laut Anfrage über Funk auch wieder beruhigt, das Wetter lud zur Weiterfahrt ein und die Vorhersagen für die nächsten Tagen waren sehr gut. Die besten Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Reise.
Gemütlich und voller Erwartung steuerten wir an Sulina vorbei und mit der ersten Flußbiegung ließen wir das Hafengeschehen hinter uns. An beiden Uferseiten waren wieder Schilf zu erkennen. Zwei Tanker kamen uns entegen und gaben zum Gruß Schallsignal. Besatzungsmittglieder standen an Deck und winkten uns nach. Dutzende Ferngläser waren auf uns gerichtet.
Das Schilf wich Steinaufschüttungen, weit vor uns erkannten wir den Leuchturm an der Ausfahrt. An Backbord sahen wir bereits offene Wasserfläche in der sich etliche Kormorane tummelten. Immer näher kam der Leuchtturm und bald war das Meer bereits an beiden Seiten, neben den Aufschüttungen zu erkennen.
Vor uns das Schwarze Meer! Das sagenumwogene, geschichtsträchtige und angeblich gefährliche Schwarze Meer.
Wir ließen den Leuchturm hinter uns und waren nun nach 130 Reisetagen, quer durch neun Staaten Europas, an der offenen See angelangt. Sanfte Wellen und ein zarter Windhauch empfingen uns. Die Sonne tauchte dieses Geschehen in ein angenehmes Licht, schien uns anzulächeln und uns zu gratulieren.
„Endlich das Meer, schon das Meer?“ waren meine ersten Worte als ich das Schiff an der letzten Tonne nach Steuerbord lenkte.
Wir erreichten unter Motor Konstanza, wurden ohne Rigg in einer mächtigen Dünung von 4 Metern und Nebel mit Sicht um die 30 Meter, so richtig getestet, ließen nicht wie geplant in Varna, sondern im bulgarischen Balcik aufriggen und erreichten nach der überaus gastfreundlichen, türkischen Schwarzmeerküste den Bosporus und Istanbul. Am Marmarameer erwartete uns tagelange Flaute, wir durchquerten die Dardanellen bei Nacht und kämpften uns an der Ägäis angelangt, durch die schwersten Meltemistürme, die seit über 10 Jahren über die nördlichen Inseln hinweg brausten. Nach 3 Wochen mit durchschnittlichen 9 Bft erlebten wir die wunderschönen griechischen Buchten, einladenden Dörfer und verträumte Häfen bei bestem Segelwetter und beendeten die zweite Etappe nach fast 6 Monaten in der Nähe von Thessalloniki.
Weitere Informationen und viele Fotos von der Reise unter: www.euro-tour2000.com



Ó by Walter H. Edetsberger
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