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Die Mission
Agent nullnulldreizehn - Der Spion, der sich verpisste
Tiefschwarze Nacht. Wind Nord-Nordost. Die Dämmerung zieht über den Pol in dieser Nacht über der Baltischen See. Kalt? Nein, eigentlich nicht. Keine Zeit zum Frieren! Ich muß weiter! Weiter durch die Nacht. Es steht zuviel auf dem Spiel. Hat man mir zumindest gesagt. Die gefiederten Völker brauchen mich jetzt. Also werde ich nicht aufgeben, den Schnabel zusammenpetzen und meine müden Schwingen mit Herzblut füllen, um mein armseliges Leben für das einzige einzusetzen, was für einen Agenten der Secret-Birdies noch zählt... aber meine Gedanken können die Schmerzen in meinen Röhrenknochen nicht mehr betäuben, ich drohe zu scheitern! Ich fange an zu phantasieren. Da, wo eigentlich kein konditionierter Baum mehr treiben sollte, zeichnet sich die Silhouette eines dieser mit großen, weißen Blättern bewachsenen Werke der zweibeinigen Vogelschänder, der Menschen, ab. Man erzählte mir, daß diese zerstückelten und wieder zu einem schwimmenden Nest verbunden Baumstücke früher häufiger die großen Wasserbecken befuhren, bevor sie immer größer wurden, mehr Menschen aufnahmen und vermutlich durch deren Kot die weißen Blätter vertrockneten. Mann, sind die bekloppt! Umso mehr freue ich mich immer wieder, wenn eine dieser lautlosen Inselchen in Schnabelnähe kommt. Aber eigentlich hätte ich gar keins dieser Dinger hier erwartet. Und es fehlt etwas! Bei Nacht haben sie leuchtende Augen. Aber dieses scheint zu schlafen... Sooo was blödes! Wenn ICH das machen würde, wäre ich längst Fischfutter. Aber ich träume gar nicht! Da ist wirklich so ein Teil. Wird in Richtung Westen getrieben. Ey! Das ist mein Weg! Und wenn es schläft, dann kann ich es ja wagen... Schnell das Bürzel auf Sturzflug gestellt und in einer eleganten Schleife - alles andere wäre stillos - auf dem Baumstück landen. Als Taube muß man schon auf die Ettikette achten. Fliegen können viele, aber nur Tauben schaffen beim Landeanflug noch eine doppelte Schraube mit angetäuschtem Trudeln, abschließendem Dreisprung und Ausfallschritt. Ok, ok. Der ging jetzt etwas daneben und ich musste noch sechs Überschläge, drei Rollen seitwärts sowie eine Bürzelbremse einbauen. Aber was soll's... iss ja nacht und hat sicher keiner gesehen. Aber Moment! Ich höre Geräusche. Ein elendes Gekrächze, eine Beleidigung für meine Ohren. Aber es kommt mir bekannt vor. Es sind doch Menschen, diese federlosen Lebendgebährenden, auf dem Baum. Jetzt nichts falsch machen! Regel Nr.37a sagt: Sei eine Taube, einfach nur ein Vogel - keiner wird merken, daß er einen Spezialagenten der Secret-Birdies vor sich hat. Also, passiv verhalten. Keiner bemerkt mich! Jetzt lege ich einfach mal die Flügel an, ziehe den Kopf zwischen die Schultern und... falle in einen tiefen Schlaf. Nicht wirklich... selbstverständlich sind meine Lauscher immer auf Empfang. Mir entgeht nichts! Uuuups, plötzlich hell! Es ist Tag! Eben war doch noch... äh... mann, habe ich mich aber konzentriert...ähem. Und da steht etwas vor mir. Einer dieser federlosen Zweibeiner... kommt auf mich zu! Sei eine Taube... und gehe stiften! Aber er läuft hinter mir her! Verfolgt mich! Soll ich ihn töten? Nein, sei einfach nur eine Taube. Er kriegt mich eh nicht. Mann, der hat's aber nicht drauf, der Looser mit der merkwürdigen weißen Zeichnung am Kopf. Nach ein paar Runden gibt er auf... bin gerade erst warm geworden. Die anderen Menschen sind auch da. Mich kriegt keiner! Nun schaue ich mir erst mal den Baum an. Ist größer als ich dachte. Gut für mich, da finde ich sicher ein Platz für meine Observation. Die Menschen hocken weit entfernt in einem Kasten... das kommentiere ich besser nicht. Hier vorne, da wo der Baum hintreibt, ist es viel schöner und ich sehe sofort, wenn ich mich meinem Ziel nähere. Aber es ist weit und breit nichts zu sehen, also auch kein Ziel für ein paar lockere Flügelschläge. Ich könnte grad mal wieder locker einen Ozean überqueren... aber muß ja nicht sein... Meine Kollegen beneiden mich - schweife ich mit meinen Gedanken ab - um diesen Auftrag. Es kann nur einen geben. Der eine, der die gefiederten Völker retten wird. Ich! So hat es mir mein Chef erklärt. Die Bedrohung wächst von Stunde zu Stunde. Seit tausenden von Sonnenwenden beherrschen wir die Lüfte und haben für die Erdgebundenen meist nur eine kleine Zielübung als Aufmerksamkeit übrig. Aber sie erheben sich. Zimmern sich immer größere Nester, spannen immer mehr brummende Drähte, vernichten immer mehr Wälder und seit einiger Zeit trifft man sie auch in der Luft. Jetzt langt's! Sie fliegen meist sehr hoch, aber machmal kommen sie runter und stürzen sich mit lautem Gebrüll auf einen armen Gefiederten. Sind schon einige dabei umgekommen. Auf beiden Seiten. Seit neuestem bauen sie komische Bäume mit Flügeln dran. Aber die kommen nicht vom Boden hoch. Trotzdem bauen sie ganz viele davon. Und alle bleiben am Boden. Völlig Panne! Aber diese Bäume stören. Man kann nicht vernüftig dran vorbeifliegen, da sie statt abzuheben nur die Luft verwirbeln. Mann, volle Kanne Aeroplaning!!! Und hat man die Kurve gekriegt, stehen ein paar Flügelschläge weiter schon die Nächsten. Die Regierung der Gefiederten Völker wird das jetzt beenden! Und jetzt kommt's - hat mir mein Chef erklärt! - ... es wird eine erste Allianz mit Bodenbewohnern geschlossen. Aber nicht irgendwelchen Bodenbewohnern. Unsere neuen Freunde leben unter der Erde. Kleine blinde Tunnelbauer, die die Macht über das Erdreich haben. Sie nennen sich Maulwürfe. Und hassen auch die Bauwerke der Menschen, die sie bei Ihren Tunnelprojekten behindern. Also werden sie uns helfen. Wir werden sie von Ort zu Ort tragen, damit sie alle Barrieren überwinden können. Dafür buddeln sie neben den Bäumen große Erdhöhlen, bis diese umfallen. Erfahrung darin sollen sie haben... hat mein Chef gesagt. Und mein Job ist es, alle Führer der Luftvölker darüber zu informieren. Ich darf also nicht versagen. Die Lage ist ernst... An diesem Baum drehen sich die Blätter nicht. Nur ab und zu flattern sie etwas und dann müssen die Menschen sie wieder festbinden. Ich für meinen Teil muss das aber nicht haben und habe mir ein Nest gesucht. In der Mitte gibt es eine Höhle, da kommen die Menschen nie hin. Es würden Dutzende Tauben hier reinpassen, aber ich bin ganz alleine. Hier ist es trocken, windgeschützt und ich habe alles im Blick. Die Menschen beachten mich nicht mehr, sie glauben bestimmt, ich wäre weiter geflogen. Denkt ihr nur!!! Eine weitere Nacht verbringe ich hier. Ob ich damit meinen Auftrag vernachlässige? Nein, bestimmt nicht. Nach so vielen Jahren kommt es auf ein paar Tage nicht an. Ob die Bäume heute oder morgen stürzen macht den Krümel nicht fett. Aprospos Krümel. Hier liegen überall welche rum, äh, korrigiere, lagen rum. Und jetzt wollen sie wieder hier liegen. So ist das nun mal mit Krümeln. Kein Vogel weiß warum. Kaum hat man sie aufgepickt wollen sie schon wieder raus und drängen ganz fürchterlich. Aber nicht da, wo man sie hineinstopft, sondern am anderen Ende. Ein Glück, denn sie haben sich ganz spontan verändert, so daß man sie nicht mehr sooo gerne ansehen mag... Also raus damit. Habe da eine Glitzerplatte gefunden, die mich ständig blendete. Jetzt nicht mehr ;) Mein linkes Bein zuckt. Ein leichtes Pulsieren geht durch meine Zehen und setzt sich bis zum Bürzel fort. So ist das immer. Immer wenn das Land näher kommt. Sehen kann man noch nichts von hier unten, aber ich wäre nicht Agent 0013, wenn ich dafür kein Bürzel-Gefühl hätte. War eine geruhsame Überfahrt. Die Zweibeiner haben mich nicht mehr verfolgt. Aber dafür hatten sie auch gar keine Zeit. Alle Schnabel lang kletterten sie in den Baum, dann kamen wieder andere da rausgekrabbelt, die kurze Zeit später wieder verschwanden und erneut andere herauskamen. Oder waren das die gleichen? Keine Ahnung, die sehen ja alle gleich aus. Und die ganze Zeit stopfen sie sich was in den Kopf. Besonders irritierend finde ich die eckigen Eier, die sie sich dauernd an den Schnabel halten. Wer sowas wohl legt??? Muss viele davon geben, denn neben meinem Unterschlupf sammeln sie die Schalen in einem großen Sack. Danke! Das stinkt! Und dauernd rasseln die Eierschalen scheppernd aneinander. So viele arme Vögelchen, die nie das Licht der Welt erblicken werden. Und vermutlich auch noch nie haben, denn so eckige Vögel habe ich noch nie gesehen. Aber wer legt dann die Eier??? Ist auch egal. Mir stinkt es hier zu erbärmlich. Ich haue ab! Ein kräftiger Flügelschlag und schon bin ich in der Luft. Noch ein paar Schläge, schon bin ich weit über dem großen Baum. Noch eine kleine Ehrenrunde... aber was sehe ich da? Der Baum trägt das Zeichen der Gefiederten Völker, das "V", und das gleich mehrfach. "VLINV" kann ich an beiden Seiten ausmachen, während ich ein paar Loopings schlage. Was die anderen Zeichen bedeuten, kann ich nicht beurteilen, aber ich werde meinem Chef davon zu berichten haben. In Zukunft sollten sich alle Agenten über diesen "großen Freund" erfreuen und für Passagen nutzen. Und es versteht sich von selbst, daß jeder Überflug zum Dank auch eine Zielübung beinhalten sollte. Die Menschen werden diese Geste zu schätzen wissen, wenn erst mal die Hälfte der zehntausend Agenten das Zeichen "VLINV" ausgemacht hat ;) ... so geschehen auf dem Anita-Törn A3-03 |
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