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Törnberichte Wie der Name schon sagt. Keine Antwortmöglichkeit! |
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Indianer auf dem Goldkanal
Zwei Indianer auf dem Goldkanal
Es ist ein Samstag im September. "Shania" ist sicher auf dem Autodach vertäut und eine rote Fahne pendelt im Spätsommerwind… Meine Tochter Zazie und ich sind unterwegs zum "Goldkanal". Meine Tochter habe ich lange nicht gesehen, ein Scheidungskind, jetzt 25 Jahre jung. In meinem Inneren sitzt sie aber immer noch auf meiner Schulter und lacht vor Freude. Der Goldkanal ist der größte Baggersee in Baden Würtemberg, er liegt in der Nähe von Rastatt. Seinen Namen verdankt er der Tatsache, dass dort, in diesem Rheinarm, Anfang des 20. Jahrhunderts nach Flussgold gesucht wurde. Angekommen, lassen wir das Kanu an einer Slipstelle zu Wasser. Eine Matratze, Zelt, Schlafsäcke, Paddel, Rückenlehne, wasserdichte Tonne und Kleinkram „wandern“ ins Boot. Dann fahren wir los… Backbord liegt ein Segelyachthafen, klimpernde Leinen, wehende Wimpel, gluckerndes Nass, das die Rümpfe umspült. Wir lächeln uns an. Endlich auf dem Wasser. Zazie sitzt im Bug, ich im Heck – wer im Heck sitzt steuert, basta. Das Wichtigste beim Kanufahren ist der richtige „Paddelschlag“, der sogenannte J-Schlag, für Geradeausfahrt. Du stichst das Paddel vor dir ins Wasser, senkst es, bis das Blatt gut eingetaucht ist, ziehst es entlang des Bootrumpfes zu dir, und drehst die Ziehbewegung zum Schluss zu einem J-Bogen. Gepaddelt wird auf einer Seite, Zazie paddelt links, ich rechts. Neugierig drehen wir Steuerbord und fahren entlang der „Küste“, in Richtung Rhein – schließlich wollen wir etwas erleben. Nach einer guten Stunde Fahrt, vorbei an privaten Anlegern, einem Kanuclub, und unzähligen Krümmungen paddeln wir bis direkt vor die Einmündung, in einen größeren Rheinarm. Der hat jede Menge Strömung. Ein Angler auf der rechten Uferseite beäugelt uns zwischendurch neugierig. Fahren die da wirklich rein-? Wir grinsen. Dann schweben wir in den Arm, drehen scharf Backbord und versuchen gegen die Strömung flussaufwärts zu paddeln, damit der Spaß nicht gleich nach ein paar Metern zu Ende ist. Die Strömung hat ihre Freude an uns, schiebt das Kanu langsam zurück, um es dann quer in den Fluss zu drehen. Es sind etwa 30 Meter, ehe wir unsere Einmündung, zurück in den Goldkanal verpassen würden. Also, alle Kraft voraus… Geschafft! Wir lachen. Der Angler angelt. Was er denkt, wissen wir nicht. Dann das Gleiche noch einmal… Wieder im Goldkanal, fahren wir jetzt an der anderen Uferseite entlang. In der Mitte des Kanals befinden sich Inseln, wildbewachsen, unberührt und geheimnisvoll. Neugierig lassen wir uns in das Dickicht treiben, unterfahren umgestürzte Bäume und Äste, genießen dieses Stück Natur… Einige Stunden später, ankern wir an einem Schwimmbagger, der mitten im See steht. Inzwischen ist es dunkel geworden, die ersten Sterne tauchen über uns auf. Wir bringen die Metallbügel im Süllrand an, ziehen das Zelt auf und entzünden eine Kerze – wenn das nicht romantisch ist. Mitten in der Nacht wache ich auf, weil starker Wind für Wellen sorgt, die unser Kanu immer wieder gegen den Bagger schlagen. Dann bringe ich „Shania“ sicher über den See, zum Yachthafen, wo wir in Ufernähe ankern. Shania hat zwei Anker. Es beginnt zu donnern und zu blitzen, Sommerabenddonnerblitzen. Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei, ohne wirklich dramatisch geworden zu sein. Ich lege mich wieder schlafen. Am nächsten Morgen weckt uns ein leises, stotterndes Tuckern im Nachbarboot, einem alten Segler aus Holz. Ein Seniorenpaar will auf Reisen gehen. Sie säubert in der Kajüte, er versucht den Motor in Gang zu bekommen. „Hat fünf Jahre gelegen“, ruft er uns etwas entschuldigend zu, weil der Motor schnell wieder abgewürgt ist. Dann wird die Kerze trocken gemacht, die Leitungen inspiziert, und wieder – anlassen. Bbbbbböböböbbööööööööööbööhhhhhhhhhh – aus! Das Schauspiel wiederholt sich etwa 10 mal, letztlich aber ohne Erfolg. Der alte Mann ist immer noch sehr freundlich, zuversichtlich und seiner Frau gegenüber tröstend. „Vielleicht liegt es an der Gemischschraube…“, rufe ich freundlich zu, um wenigstens irgendwie behilflich sein zu können. Dann erinnere ich an den alten VW Käfer, bei dem man die Gemischschraube zudrehte, dann wieder eineinhalb Umdrehungen zurück – passt, Motor läuft. Der Mann freut sich über meine Anteilnahme. Ich setze noch eines oben drauf: Der alte Käfer war noch ein wirkliches Auto, danach kam nur noch Schrott ! Sie haben Recht, lacht der Kapitän, „danach kam nur noch Schrott“. Inzwischen sind wir schon weiter unterwegs, auf den Spuren von Winnetou… Geändert von Steppenlöwe (14.10.2010 um 22:48 Uhr)
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